Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
an.
Erschrocken sprang Joslyn auf. Ihr wurde bewusst, dass ihre Haare zerzaust und ihre Augen vom Schlafen bestimmt total verquollen waren. Wahrscheinlich war ihr Gesicht vom Kopfkissen auch noch total zerknautscht. „Wie viel Zeit habe ich?“ Sie bemühte sich, möglichst locker und lässig zu klingen.
Die Chancen dafür standen denkbar schlecht. Sie kam bestimmt total „unlässig“ rüber – wenn es so etwas überhaupt gab.
Slade lachte, als hätte sie diesen lächerlichen Gedanken laut ausgesprochen. „Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Aber wir gehen nur in einen Stall, Joslyn, nicht in einen Club.“ Kurzes Schweigen. „Reichen dir zwanzig Minuten?“
Zwanzig Minuten? Für eine Generalüberholung?
Nur ein Mann konnte denken, dass so ein Kunststück auch nur im Bereich des Möglichen lag.
„Klar“, antwortete sie hastig. Es ärgerte sie, dass sie sich – sogar in ihren eigenen Ohren – so aufgeregt anhörte. Sie benahm sich wie ein hoffnungslos verknallter Teenager, nicht wie eine erwachsene Frau, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand.
Wie auch immer dieses Leben momentan auch aussehen mochte.
Sein leises Lachen am anderen Ende der Leitung entfachte ihre Lust aufs Neue. „Also bis gleich“, sagte er.
Nachdem Joslyn sich rasch von ihm verabschiedet hatte, fütterte sie die Katze, schnappte sich frische Kleidung und Unterwäsche und sauste in das geradezu überwältigend rosa Badezimmer. Hektisch zog sie den Duschvorhang zur Seite und entledigtesich rasch ihres Schlafanzugs. Sie duschte in Rekordzeit, wickelte sich in ein Handtuch und föhnte sich im Eiltempo die Haare. Das Ergebnis war eine Art Wuschelfrisur.
Sie putzte sich die Zähne, schlüpfte in Jeans und T-Shirt und bändigte ihre wilde Mähne mittels Pferdeschwanz. Als Slade und Shea inklusive Jasper eintrafen, war Joslyn so außer Atem, als wäre sie gerade einen Marathon gelaufen.
Slade, der für die Stallarbeit alte Jeans, abgewetzte Stiefel und ein blaues Leinenhemd angezogen hatte, das am Hals genau richtig weit offen war, kam die Verandastufen herauf. Er klopfte leise an die Küchentür.
Lächelnd betrachtete er sie. Einen Moment lang hatte sie das Gefühl, als stünde sie wieder nackt vor ihm, und seine Hände und Lippen würden sie gleich …
Hör auf, ermahnte sie sich. Denk nicht daran, wie wundervoll es war .
Keine Chance. Die Nähe dieses Mannes versetzte ihre Nerven in Alarmzustand und ließ ihren Körper heftig im Rhythmus einer stummen Melodie vibrieren, die der Kosmos sang.
Nachdem sie den Pick-up erreicht hatte, hielt Slade ihr die Beifahrertür auf, und Shea, die hinten saß, begrüßte sie grinsend. „Keine Sorge, ich stelle keine indiskreten Fragen mehr. Dad hat gedroht, dass er mir Hausarrest verpasst, und das würde bedeuten, dass ich weder Chessie reiten noch im Internet surfen darf und auch noch Handyverbot bekomme.“
Joslyn schnallte sich schmunzelnd an. „Klingt ziemlich schlimm.“
Shea guckte übertrieben bekümmert drein, hielt es aber nicht lange durch. „Dad nimmt diesen ganzen Erziehungskram viel zu ernst.“
„Scheint so.“ Joslyn schmunzelte immer noch.
Slade setzte sich hinters Steuer, und sie fuhren los Richtung Whisper-Creek-Ranch. Es kam Joslyn erfrischend normal vor, mit Slade, Shea und Jasper in diesem Wagen zu sitzen. So, als wäre es etwas, das sie ständig tat.
Sie fuhren durch die Stadt, ohne viel miteinander zu reden.Schließlich war es noch früh, und Joslyn nahm an, dass sie nicht die Einzige war, die erst richtig wach werden musste.
Hach, was gäbe ich jetzt für einen heißen, starken Kaffee .
„Was gibt es Neues von Kendra?“, erkundigte sich Slade, nachdem sie Parable hinter sich gelassen hatten und durch die weite Landschaft fuhren. „Geht es ihr gut?“
Joslyn drehte sich zu ihm und sah ihn an. Für einen Moment verschmolzen ihre Blicke miteinander, und alles, was sich gestern in Kendras Gästehaus, diesem kühlen, stillen Refugium, ereignet hatte, war wieder gegenwärtig. Doch dann richtete Slade seinen Blick wieder auf die Straße.
„Sie ruft ungefähr alle zwei Tage an“, antwortete Joslyn leise. „Wir reden ein, zwei Minuten über die Firma, aber wenn ich sie frage, wie es ihr geht, blockt sie sofort ab.“
Shea, die die Unterhaltung von Slade und Joslyn gar nicht wahrnahm, lachte. Sie hatte gerade eine neue App für ihr Handy entdeckt, aus dem nun ein lautes Bellen ertönte. Das alberne Geräusch animierte Jasper, laut
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