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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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schließlich, aber sein Tonfall deutete an, daß er die Antwort bereits wußte.
    Gary steckte hoffnungslos in der Klemme und sah sich einen Moment um, ehe sein Blick auf Fred Fines Taschenrechner verweilte. »Oh, ja, ich glaube schon. ›Marsianer in Godthaab‹ muß neu sein.«
    »Nein«, sagte Fred Fine deutlich, »es kam vor sechs Monaten raus.« Er klopfte Gary auf die Schulter, um der Demütigung die Schärfe zu nehmen. »Aber um deine Frage zu beantworten. Einige unserer Plebejer – unserer Rollenspiel-Novizen – finden Gefallen an diesem Spiel. Ich schätze, auf seine Art ist es interessant, allerdings habe ich es nur ein Dutzendmal gespielt. Natürlich handelt es sich um ein Produkt von Simuconflict, deren Spiele eine Menge Wünsche offen lassen, seit sie ihre Beziehungen zum Pentagon verloren haben, aber sonst ist es an sich ganz in Ordnung.«
    Das Trio sah ihn an. Wie konnte er nur soviel wissen?
    »Äh, macht ihr Jungs«, wagte sich der Blaue vor, »jemals Rollenspiele? So wie Dungeons and Dragons?«
    »Diejenigen von uns, die weit oben in der Erfahrungshierarchie stehen, finden das koventionelle D and D langweilig und ermüdend. Wir inszenieren lieber Live-Rollenspielszenarien. Aber die sind nicht für jeden.«
    Sie betrachteten verzagt Fred Fines Florett und fragten sich, ob er in eben diesem Augenblick auf dem Weg zu einem echten Live-Simulationsspiel unterwegs war. Wie er so in dem halbdunklen Flur stand, wo flackerndes Licht von einer defekten Deckenlampe herabfiel und wie ferne Blitze seinen Kopf umspielte, die Beine leicht spreizte und eine Hand auf dem Schwertknauf liegen hatte, hatten sie einen Augenblick wahrhaftig den Eindruck, als würden sie einen legendären Helden aus vergangenen Zeiten erblicken, der aus Walhalla zurückgekehrt war, um seine Klinge mit modernen Widersachern zu kreuzen.
    Die Stimmung war dahin, als plötzlich ein weiterer Mann um die Ecke kam. Er ging lautlos an Fred Fine vorbei und hätte Gary beinahe mit einem Schlüssel aufgespießt, doch Gary konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen, und der Neuankömmling schob den Schlüssel ins Schloß und den Riegel zurück. Er war groß, hatte fast weißblondes Haar, hellblaue Augen und ein schmales, aber engelsgleiches Gesicht; gekleidet war er in abgeschnittene Jeans und ein weißes Hemd. Er drängte sich zwischen ihnen hindurch und betrat den kleinen Raum.
    Fred Fine reagierte mit untypischer Herzlichkeit.
    »Schau, schau, schau«, sagte er, wobei er in einer hohen Tonlage anfing und die Stimme langsam tiefer werden ließ. Ich hatte Fred Fine in einer meiner Vorlesungen, und wenn er bei guter Laune war, redete er tatsächlich ein wenig wie Colonel Klink; es war ein bißchen gewöhnungsbedürftig. »Offenbar haben sie dich noch nicht mit deinem Hauptschlüssel erwischt, was, Virgil? Sehr interessant.«
    Virgil Gabrielsen drehte sich geschmeidig um, während er die Tür passierte, und sah durch Fred Fines Kopf hindurch, als wäre er aus Glas. »Nein«, sagte er, »aber ich besitze ohnehin jede Menge Nachschlüssel. Sie werden meinetwegen nicht jede einzelne Tür im Plex auswechseln. Die einzigen Türen, die ich damit nicht öffnen kann, sind die von der Giftmülldeponie, vom Verwaltungskomplex, die Türen 1253 bis 1778 und 7899 bis 8100, die offenbar allen vollkommen gleichgültig sind, sowie die Türen 753, 10.100 und die hohen 12500er, und ich spaziere ganz offensichtlich nicht durch die Gegend und klaue Rezepte von Ausgabeautomaten, oder?« Daraufhin runzelten die drei Freunde die Stirn und sahen hin und her. Virgil betrat den Raum und schaltete die ehrfurchtgebietende Batterie der Neonröhren an der Decke ein. Im Inneren war alles irgendwie staubig.
    »Kein Rattengift auf dem Boden«, bemerkte Fred Fine.
    »Staubig. Hältst dir die B-Männer noch vom Hals, was?«
    »Ja«, antwortete Virgil, der sie kaum zur Kenntnis nahm, und holte Sachen aus seinem Rucksack. »Ich hab ihnen gesagt, daß ich hier unten Werwolf-Experimente durchführe.«
    Daraufhin nickte Fred Fine ernst. Derweil fühlten sich die drei jüngeren Studenten eingeladen, scharten sich um das Terminal und betrachteten verzückt die Druckeranlage. »Das ist nur ein alter Fernschreiber«, sagte der Blaue. Er hatte es schon einmal gesagt, aber nun wiederholte er es für Fred Fine. »Aber ich find die echt gut. Die sind zuverlässig und haben jede Menge altmodische Klasse, auch wenn das Buchstabenmenü hoffnungslos minderwertig ist.« Fred Fine nickte anerkennend.

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