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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Computer eine Kleinigkeit. Damit er sich sein Marihuana und sein Bier leisten konnte, zweigte er ein hohes Salär aus verschiedenen Quellen ab und schickte sich, falls erforderlich, Gehaltsschecks. Deshalb verspürte er weder Widerwillen noch Schuldgefühle, denn in einem hatte Fred Fine ganz recht: Ohne Virgil, dessen offizieller Job darin bestand, in der Forschungs-AG zu arbeiten, wäre die naturwissenschaftliche Forschung an der Big U praktisch zum Stillstand gekommen. Um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, zweigte er Geld von Forschungsetats ab, und zwar proportional zu dem Maß, in dem sie von ihm abhängig waren. Das schien ihm mehr als gerecht. Eine unverzichtbare Einrichtung wie die Forschungs-AG benötigte einen starken Vorstand, der dreist genug war, seine Nutznießer angemessen zu besteuern und die Einkünfte für die Zwecke zu verwenden, die im Interesse der Benutzer standen. Virgil war dahintergekommen, wie sich das bewerkstelligen ließ, und hatte sich eine Nische an der Big U eingerichtet, die behaglicher war als alle anderen.
    Sarah lebte in einem Doppelzimmer nur fünf Stockwerke über mir und Ephraim Klein und John Wesley Fenrick auf E12S – E-Turm, zwölfter Stock, Südflügel. Im vergangenen Jahr war ihr der Luxus eines Einzelzimmers zuteil geworden, und sie hatte sich geschworen, ihre Privatsphäre nie wieder mit jemandem zu teilen; dieses Doppelzimmer machte sie sehr wütend. Aber letztendlich hatte sie doch Glück. Ihre potentielle Mitbewohnerin hatte das Zimmer nur zum Schein genommen, um ihre Eltern in die Irre zu führen und lebte in Wahrheit mit ihrem Freund im A-Turm. Und aus diesem Grund mußte sich Sarah das Zimmer nicht mit einer Tusse teilen, die jede Woche eine emotionale Krise durchmachte und auf der anderen Seite des Zimmers bei lautstarken Sessions standardmäßig Sex und Drogen und Rock’n’Roll ausprobierte.
    Sarahs Problem bestand nun darin das Interieur eines Zimmers zu schmücken, das Ähnlichkeit mit einem Wasserklosett hatte. Die Schlackesteinwände waren schokoladenbraun gestrichen und absorbierten den größten Teil des Lichts, nur die Grautöne des Spektrums blieben übrig. Der Boden mit seinen geborstenen grauen Fliesen fühlte sich klebrig an, so oft sie ihn auch scheuerte. Auf beiden Seiten des vollkommen symmetrischen Zimmers waren lange Neonröhren über den Betten festgeschraubt, die in der unmittelbaren Umgebung ein grelles Licht erzeugten, überall sonst aber nur ein trübes grünliches Leuchten. Nach einigen hastigen und billigen Versuchen, eine wohnliche Atmosphäre zu erzeugen, widmete sich Sarah anderen Aktivitäten und fand sich mit einem weiteren Jahr in einer häßlichen Umgebung ab.
    Am Mittwoch der zweiten Semesterwoche fand eine Zusammenkunft des ganzen Flügels statt. Die Anwerbepropaganda der Amerikanischen Megaversität versuchte stets, den Eindruck zu erwecken, als würden die Flügel alles als fröhliche Gruppe gemeinsam unternehmen, aber in den Flügeln, wo Sarah bisher gewohnt hatte, hatte das keineswegs der Realität entsprochen. Hier war es anders.
    Als sie am ersten Tag ihre Reisetaschen durch die Tür des Treppenhauses geschleppt hatte, war eine Gruppe gepflegter Matronen im vorletzten Studienjahr von einem Kartenspieltisch mit Spitzendecke in der Lobby aufgestanden, hatten ihr mit dem Gepäck geholfen, ihr eine rosa Nelke an ihr verschwitztes T-Shirt gesteckt und sie in »unserem Flügel« Willkommen geheißen. Unter ihrem Kissen hatte sie ein »Start-Set« vorgefunden, das aus einem kleinen Teddybär namens Bobo, einer weißen Kerze, einem PERSÖNLICHEN SCHMINKPROBENPÄCKCHEN der Marke GOLLYWHATA FACE, einer Tüte Zitronendrops, einem roten Strumpfhalter, sechs selbstklebenden Namensschildchen mit der Aufschrift SARA, einem Fragebogen und einer kurzen, fotokopierten handschriftlichen Notiz bestand, mit der sie zu einem Treffen des Flügels eingeladen wurde. Alles war in Geschenkpapier mit Blütenmuster verpackt und mit niedlichen Bändern verziert gewesen.
    Den größten Teil davon hatte sie knurrend in die untersten Schubladen ihres Schranks verbannt. Das Treffen des Flügels jedoch war eine quasi-politische Angelegenheit, die sie besuchen sollte. Eine Viertelstunde vorher zog sie eine Folklorebluse über vorzeigbare Jeans an und ging barfuß den Flur entlang zum Gemeinschaftsraum bei der Fahrstuhlhalle.
    Sie war fast die letzte, die eintraf. Außerdem war sie die einzige, die keinen Bademantel trug, und das schien so seltsam, daß es

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