Big U
Virgil drängte sich mit den Schultern zwischen ihnen hindurch, setzte sich an das Terminal und verkündete, ohne aufzuschauen: »Ich hab euch nicht hereingebeten, daher könnt ihr jetzt alle wieder gehen.«
Sie verstanden nicht ganz.
»Nicht kapiert? Ich mag keine Zuschauer.«
Fred Fine tat das mit einem Kopfschütteln und einem Kichern ab und lächelte ein verlegenes Lächeln. Die anderen waren fassungslos, blieben zaghaft stehen und warteten darauf, daß Virgil ihnen sagte, es sei ein Scherz gewesen.
»Können wir nicht einfach hierbleiben?« fragte einer schließlich. »Ich muß nur eine Routine durchziehen. Sie ist virenfrei und auf Datenkorruption getestet. Sie ist schnell, Output ist ein Batch. Ich kann warten, bis du fertig bist.«
»Vergiß es«, sagte Virgil unbekümmert, rollte zurück und schubste ihn weg. »Ich brauche Stunden. Und alles sind geheime Daten aus der Forschungs-AG. Okay?«
»Aber die Terminalzeit für Computer ist auf die Minute zwei Stunden!«
»Versuchs um vier Uhr morgens. Klar? Vier Uhr morgens ist eine super Zeit an der Amerikanischen Megaversität. Alles ist ruhig, nicht einmal in der Wäscherei hängen Seile, man kann tun und lassen, was man will, ohne daß man sich mit einer Bande von Grünschnäbeln herumärgern muß. Versucht es mit der zweiten Schicht, dann ist alles klar. Okay?«
Sie gingen tuschelnd hinaus. Fred Fine blieb immer noch breit grinsend an der Tür stehen und schüttelte den Kopf, als würde er nur gehen, weil es ihm gerade Spaß machte.
»Du bist immer noch der Alte, Virgil. Du programmierst immer noch in nackter Maschinensprache, du hast immer noch deinen Hauptschlüssel. Ich weiß nicht, was die naturwissenschaftliche Fakultät der AM ohne dich anfangen würde. Was für ein Genie.«
Virgil betrachtete geduldig die Wand. »Fred, ich hab dir doch gesagt, daß ich deinen MCA in Ordnung bringen würde, und das werd ich auch. Glaubst du mir nicht?«
»Aber klar doch. He! Meine Einladung, dich MARS anzuschließen, wann immer du willst, gilt noch. Du wirst sofort zum Sergeant gemacht, und so, wie ich dich einschätze, werden wir dich vermutlich schon nach der ersten durchspielten Nacht befördern.«
»Danke. Das werde ich nicht vergessen. Und tschüs.«
»Ciao.« Fred Fine verneigte seinen dürren Oberkörper tief und entfernte sich.
»Was für ein Armleuchter«, sagte Virgil und schob vehement den Riegel vor, als Fred Fine kaum außer Hörweite war.
Er griff in die Schreibtischschublade, schob ein Handtuch unter die Tür und klebte schwarzes Papier vor das Fenster. Auf dem Terminal stellte er eine kleine Lampe mit Klebeband über dem Schirm auf, die ein trübes rotes Licht spendete, als er die Deckenbeleuchtung ausgeschaltet hatte.
Er schaltete die Anlage ein, und der Computer fragte ihn nach der Nummer seines Accounts. Aber anstatt eine Accountnummer einzugeben, tippte Virgil: FIAT LUX.
Später lernten Virgil und ich einander kennen. Ich hatte Probleme mit dem Computer, die nur er beheben konnte, und nach unseren ersten Begegnungen schien er mich interessant genug zu finden, daß er mit mir in Verbindung blieb. Er zeigte mir Teile seiner geheimen Welt und gestattete mir schließlich, einer seiner Computersitzungen beizuwohnen. Mir blieb alles vollkommen schleierhaft, bis er mir die Sache mit dem Wurm erklärte und die Geschichte von Paul Bennett erzählte.
»Paul Bennett war ein Computergenie. Schon als Erst-semester waren die ganzen geheimen Kodes und Tastenkombinationen, mit denen das Rechenzentrum seine wertvollen Daten schützte, ein Klacks für ihn. Tja, da hatte er die Universität an sich schon an den kurzen Haaren gepackt. Er hätte alles im Computer löschen können – Finanzunterlagen, wissenschaftliche Daten, teure Software, was du willst. Er hätte die Universität vernichten können, indem er sich nur hier an diesen Computer setzte – so anfällig sind Computer. Schließlich fand das Zentrum heraus, wer er war, und erteilte ihm einen Verweis. Bennett war offensichtlich ein Genie und nicht böse, daher stellte das Zentrum ihn ein, um bessere Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Das kommt ziemlich oft vor – die besten Schlossdesigner sind Leute, die eine natürliche Begabung für das Schlösserknacken haben.«
»Sie haben ihn während seines zweiten Studienjahrs eingestellt?« fragte ich.
»Warum nicht? Er konnte nichts mehr lernen. Die Leute, die seine Vorlesungen abhielten, waren dieselben, deren Sicherheitsmaßnahmen er knackte!
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