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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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änderten ihre Meinung häufig; er schaute sie an, ob sie den kleinen Seitenhieb verstanden hatte.
    Sie gab sich fast überzeugend emotionslos.
    »Ach herrje. Das kommt für mich auch ein bißchen überraschend. Können wir jetzt gehen?«
    »Erlaubnis erteilt, Obristin Sarah Jane Johnson!«
    bellte er und salutierte. Sie warf ihm einen seltsamen Blick zu, der zweifellos Ehrfurcht, Dank und eine generelle Verpflichtung ihm gegenüber ausdrücken sollte, und als sie ihren Männern einige bezaubernd zaghafte Befehle erteilt hatte, ging sie in Richtung der gesicherten Region los. Klystron/Chris führte seine Männer, von neuem Tatendrang erfüllt, zum nächsten Vorposten des Gereinigten Imperiums.
    Ich lehnte Fred Fines Angebot ab und wartete unter dem E-Turm auf meine Freunde. Nicht lange, da wurde mir klar, daß ich in diesem Irrenhaus einer Halle niemanden finden würde, daher brach ich zum naturwissenschaftlichen Workshop auf.
    Der sicherste Weg führte die Emeritus Row hinab, die so still war wie eh und je. Unterwegs überprüfte ich jede Tür. Sharons Büro war schon längst von Militanten geplündert worden, die nach Informationen über die Schienenkanone gesucht hatten. Abgesehen vom Plätschern des Wassers, das in die Mülltonne unter dem mehr schlecht als recht geflickten Loch in der Decke tropfte, konnte ich in der Emeritus Row nur einen alten Mann einsam weinen hören.
    Er befand sich im Büro mit der Aufschrift: PROFESSOR EMERITUS HUMPHREY BATSTONE FORTHCOMING IV. Ich ging ohne anzuklopfen hinein (in dem Raum war es dunkel, die Tür nur angelehnt) und sah den Professor persönlich. Er hatte sich über seinen Schreibtisch gebeugt und das silberne Haupt auf dem Tintenlöscher liegen, als wäre er das einzige, das seine Tränen aufsaugen konnte; seine Hände hingen schlaff an den Seiten herab. Ab und an wurden die runden Tweedschultern von einem Schluchzen geschüttelt, kurze, erstickte Seufzer entrangen sich dem Mann und erstarben in der stickigen Luft des Büros.
    Ich machte absichtlich viel Lärm, als ich eintrat, aber er sah nicht hoch. Schließlich richtete er sich doch mit rotverheulten geschlossenen Augen auf. Er öffnete sie zu Schlitzen und sah mich an.
    »Ich –« sagte er und verstummte wieder. Nach einigen weiteren Versuchen gelang es ihm, mit einer ho-hen, erstickten Stimme zu sprechen.
    »Sehen Sie, ich befinde mich in einer sehr schlimmen Situation. Ich glaube, ich bin ruiniert. Ich … ich sitze einfach nur hier« – seine Stimme wurde klarer, er ließ den Blick der feuchten Augen über den Schreibtisch schweifen – »und bereite mich darauf vor, meine Kündigung einzureichen.«
    »Aber warum«, fragte ich. »Sie sind nicht alt. Sie machen einen gesunden Eindruck. Auf Ihrem Gebiet wurden bei den Kämpfen sicher keine Ausrüstung oder Daten vernichtet. Was ist denn los?«
    Er schenkte mir ein gepreßtes, verkniffenes Lächeln, wich meinem Blick jedoch aus und betrachtete die Stapel von Manuskripten und Kisten und alten Büchern in dem gesamten Raum. »Sie verstehen nicht. Ich habe offenbar die Unterlagen für meine Vorlesungen in meinem privaten Arbeitszimmer im Bibliotheksblock vergessen. Ihnen ist sicher bewußt, daß es unter den herrschenden Umständen für einen Mann meines Alters schwierig sein dürfte, sie wiederzubeschaffen.«
    Das bedeutete ihm offenbar eine Menge, daher sagte ich nicht einfach: »Na und? Schreiben Sie eben neue!« Für ihn war es ganz eindeutig ein fataler Schlag.
    »Sehen Sie«, fuhr er fort, und jetzt, da er sein Geheimnis preisgegeben hatte, schien seine Stimme fester zu klingen. »Ähem. Auf meinem Gebiet gibt es einen großen Korpus grundlegenden, absolut fundamentalen Wissens. Jeder neue Student muß das lernen, darum kommt es auch in meinen Vorlesungen vor, und so weiter. Ich, äh, ich habe es vollkommen vergessen. Irgendwie. Bei meinen Verpflichtungen und Herausgebertätigkeiten, Konferenzen, Reisen, Konsultationen et cetera, und natürlich bei meinen Büchern – also da ist einfach kein Platz für Nebensächlichkeiten. Wenn ich jetzt von einer anderen Universität eingestellt und zum Professor berufen werde, oder etwas anderes Grauenhaftes – dann können Sie sich wohl vorstellen, wie peinlich das für mich wäre.«
    Mir war es ebenfalls peinlich, denn mir fiel eben ein Gespräch unter drei Studenten ein, von denen einer geringschätzig von »Emeritus Home-Free Etcetera« gesprochen hatte, der ihn offenbar eine Menge sinnlose Forschungen durchführen,

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