Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
einzigen mächtigen Programm, das aus dem Nichts zu entstehen schien und die Sperren und Schutzmechanismen des Wurms bereits überwunden hatte. Danach machte sich dieses Monsterprogramm gelassen daran, sämtliche Dateien der Verwaltung und jede studentische und akademische Software zu löschen, um danach das Betriebssystem so umzustrukturieren, daß es Virgils Zwecken diente. Alles ging dahin – Gehaltsunterlagen, Mahngebühren der Bibliothek, Computerspielprogramme. Vom Standpunkt des Computers aus wurde die gesamte amerikanische Megaversität in dem Zeitraum ausgelöscht, die ein Mikrotransistor brauchte, um von einem Zustand in den anderen umzuschalten.
    Eine tödliche Wunde für die Universität, aber die Universität war ohnehin schon tödlich verwundet. Dies war die einzige Möglichkeit, zu verhindern, daß der Wurm in der kommenden Woche oder so das gesamte Computersystem übernahm. Virgils Erkenntnis war gewesen, daß der Wurm zwar ausgeklügelt worden war, damit er jede erdenkliche Gegenmaßnahme seitens des Rechenzentrums berücksichtigte, aber nicht mit der Möglichkeit rechnete, daß jemand sämtliche Unterlagen löschen und das Betriebssystem auseinandernehmen würde, nur um den Wurm zu bekämpfen.
    Die Nachricht des Wurms an Virgil war der Schlüssel gewesen: es hatte ihn als Angestellten des Rechenzentrums identifiziert, als angeheuerten Auftragskiller. Angesichts von Virgils Macht war das keine abwegige Schlußfolgerung. Aber sie war falsch und lieferte den Beweis dafür, daß der Wurm nur hinreichend vorhersehbare Ereignisse berücksichtigen konnte. Der Untergang der Universität war nicht vorhersehbar gewesen, jedenfalls nicht für den asozialen Psychopathen Paul Bennett, und daher hatte er auch nicht damit gerechnet, daß sich jemand Virgils Pyrrhustaktik befleißigen könnte.
    Virgil verfügte jetzt über ausreichend Rechnerleistung, um eine große Fluglinie oder ein kleines Entwicklungsland verwalten zu können. Der Wurm konnte nur zurückweichen, von vorn anfangen und versuchen, sich zurückzuholen, was er verloren hatte, diesmal aber gegen einen wesentlich stärkeren Gegner. Und so summte die CPU des Janus 64 weiter und führte in einer Pikosekunde eine Aufgabe des Wurms aus und in der nächsten eine Virgils. Die Gegner trafen sich auf dem zentralen Chip der CPU, der gleichmütig die Befehle beider ausführte und leidenschaftslos sein eigenes Schicksal berechnete. Fred Fine stellte fest, daß sich außer Virgil niemand mehr einloggen konnte und kam zu der logischen Schlußfolgerung: Virgil war der Prophet von Shekondar dem Magier.
    Aus dem Grund bekamen wir Virgil kaum zu Gesicht; er beschäftigte sich ausschließlich mit dem Computer, murmelte in Programmiersprache, während er seine Suppe umrührte, und saß fünfzehn Stunden täglich allein vor dem schwarzen dreieckigen Obelisken, wo er endlose Zahlenkolonnen studierte.
    Sarah, Hyacinth, Lucy und Freundinnen trafen am Abend des ersten ausgelassen und triumphierend ein, und wir feierten ein freudiges Wiedersehen. Ephraim Klein kam um fünf Uhr morgens, blutete aus vielen kleinen Schrotwunden und bewegte sich für eine so schmächtige, kränklich aussehende Person mit einer unglaublichen Ausdauer. Als wir uns vergewissert hat-ten, daß die Schrotkugeln in seinen Beinen aus Stahl waren, nicht aus Blei, schickten wir ihn mit Lachgas und jeder Menge Bier ins Nirwana und saugten die Kügelchen mit einem großen Elektromagneten heraus. Casimir traf unvermittelt am Spätnachmittag des zweiten April ein und erschien so lautlos in unserer Mitte, als wäre er heruntergebeamt worden. Er warf einen Haufen Kleidung und Sportausrüstung auf eine Bank und arbeitete mit einer besessenen, weißglühenden Kreativität, die wir nicht stören wollten.
    »Ich hab’s euch doch gesagt«, sagte Ephraim zu Sarah, während er sich erholte. »Wir sollten diesen Bau in die Luft jagen. Schau her, was passiert ist.«
    »Ja«, sagte Sarah, »es ist eine schlimme Situation.«
    »Schlimme Situation! Das ist ein verdammter Krieg! Wie viele Universitäten kennst du, wo das akademische Jahr mit einem Bürgerkrieg zu Ende geht?«
    Sarah zuckte die Achseln. »Nicht viele.«
    »Und was meinst du dann, warum wir einen haben? Diese Menschen sind ein ganz normaler Querschnitt durch die Bevölkerung, in einem riesigen Gebäude eingesperrt, das sie wahnsinnig macht.«
    »Okay. Leg dich hin und hör auf, so herumzuzappeln, ja?« Sie schlenderte durch die Werkstatt und beobachtete

Weitere Kostenlose Bücher