Big U
Vorführung meines Massenbeschleunigers gekommen sind.« Casimir Radon trank einen Schluck Wasser und rückte seine dicke Brille zurecht. »Neutrino, die Organisation der Physikstudenten, hat viel Zeit und Arbeit in dieses Gerät investiert, größtenteils über die Weihnachtsferien, und wir halten ihn für ein gutes Beispiel dafür, was man alles erreichen kann, wenn Fördermittel konstruktiv verwendet werden. Gottverdammt!«
Er fluchte, weil Dex Fresser, sein Plex-Nachbar, bei dessen Stereoanlage es sich um einen elektronischen Signalprozessor mit Industrieleistung handelte, so laut war. Zur Abwechslung hielt sich Casimir einmal nicht zurück; er war so nervös wegen der bevorstehenden Vorführung, daß er nicht an die schreckliche Peinlichkeit, gesellschaftliche Ablehnung und Gefahr für Leib und Leben dachte, die es mit sich bringen würde, wenn er nach nebenan ging und diesen Trottel bat, die Musik leiser zu machen. Er hämmerte gegen Dex Fressers Tür, noch ehe sein Gehirn richtig begriffen hatte, was sein Körper tat, und hoffte einen Moment, sein Klopfen wäre im Wummern der Baßbeats untergegangen, die aus Fressers Vierzig-Zentimeter-Lautsprechern dröhnten. Aber die Tür ging auf, und da stand Dex Fresser und sah vollkommen desorientiert drein.
»Könntest du das leiser machen?« fragte Casimir. Fresser, der ihn langsam zur Kenntnis nahm, sah Casimir von Kopf bis Fuß an. »Es stört mich irgendwie«, fügte Casimir kleinlaut hinzu.
Fresser dachte darüber nach. »Aber du bist nicht mal ganz da, wie kann es dich also stören?« Dann sah er Casimir seltsam ins Gesicht, als wäre er der Kapitän eines Schiffs von einer Spiegelerde auf der anderen Seite der Sonne, und genau das dachte er auch. Verdrossen knirschte Casimir sehr laut mit den Zähnen und erzeugte dabei soviel Hitze, daß sie weißglühend wurden und rosa durch seine Wangen schimmerten. Danach wich er wie ein Raumschiff in die Unendlichkeit zurück, machte den Hypersprung und kam hinter Fresser wieder heraus, so daß es (wegen des Spiegeleffekts) aussah, als käme er wahrhaftig aus derselben Richtung, in der er verschwunden war. Als er zwei Jahre später direkt wieder an der Tür erschien, klappte die Raumkrümmung hinter ihm zu; doch im letzten Augenblick schaute Dex Fresser hindurch und sah bezaubernde purpurne Felder mit Blumen, singenden Brasilianerinnen, undichten grünen Kugelschreibern und tausend leeren Teeverpackungen. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als diesen Ort zu besuchen.
»Nun ja, es stört mich, wenn ich mich zufällig in meinem Zimmer aufhalte. Siehst du, wie das funktioniert?« Der Mann, der sein Tonbandgerät bediente, ein schlaksiger grüner Tennisschuh mit einer schlimmen Akne und einem Elefantenrüssel, den er mit einem doppelten Windsorknoten um die Taille gebunden hatte, stoppte das Band und spulte es zu Fressers vorheriger Antwort zurück.
»Aber du bist nicht mal ganz da, wie kann es dich also stören?« Als Fresser das zu Ende gesprochen hatte, machte Casimir genau dasselbe wie beim letzten Mal, nur wurden die purpurnen Felder diesmal von fliegenden Garagen mit einem Bombenteppich belegt. Die Raumkrümmung schloß sich rechtzeitig, aber ein Schrapnellteil kam durch. Es zoomte über Casimirs Schulter und bohrte sich in die Wand, wo Fresser es als Pershing-2-Missile identifizieren konnte.
»Richtig«, sagte Casimir, der jetzt durch ein Susaphon auf seiner Schulter sprach, das Dex Fresser mit weißen Laserstrahlen bombardierte. »Ich weiß. Aber weißt du, wenn ich in meinem Zimmer bin, möchte ich nicht gestört werden. Darum geht es gerade.«
Plötzlich merkte Fresser, daß es sich bei der Pershing 2 in Wahrheit um den vorderen linken Kotflügel eines 1957er Buick handelte, den er am 28. Juli 1984 auf einer Straße in Evanston gesehen hatte, und Casimir in Wahrheit John D. Rockefeller war. »Wie kannst du nur so verdammt egoistisch sein, Mann? Weißt du nicht, wie viele Menschen du auf dem Gewissen hast?« Damit schlug er die Tür zu, weil er wußte, daß das Teil des Buick Rockefeller auf den Kopf fallen würde; da es sich um Antimaterie handelte, würde hinterher nichts mehr davon übrig sein.
Das Gespräch hatte so einen schlechten Verlauf genommen, wie Casimir befürchtet hatte. Er ging mit irrational klopfendem Herzen in sein Zimmer zurück und war so erregt, daß er seine Rede nicht mehr weiterübte.
Es spielte freilich keine Rolle, daß er sich nicht vorbereitet hatte, denn das Publikum in Sharons
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