Big U
etwa fünfundvierzig Zentimeter im Durchmesser und knapp zwei Meter lang, wurde, auf einen schweren Wagen mit vier Rädern geschnallt, vorsichtig seitwärts in den Durchgang geschoben. Magrov ging zu einem Kästchen an der Wand, drückte mit dem Kolben der Waffe einen Knopf und sagte etwas. »Kontrolle, hier wieder Magrov. Haben es am üblichen Ort verstaut; heute nur eine der gottverdammten Rosaschwänzigen, Sie wissen schon. Wir gehen jetzt. Ich schätze, wir sind in ein paar Stun-den zurück.«
»Okay. Alles klar zum Wiederaufstieg, Team«, antwortete die akzentfreie Stimme aus dem Kästchen. Die B-Männer gingen durch die Schiebetür, die sich hinter ihnen schloß; Virgil konnte gerade noch ein Summen wie von einem Fahrstuhl hören.
Nach wenigen Sekunden teilte sich die Wand langsam, wo der Tunnel zu Ende ging, und Virgil sah, daß dort keineswegs das Ende war, sondern es sich um zwei Stahlplatten handelte, die in Boden und Decke glitten.
Hinter der Tür lag ein großer, hell erleuchteter Raum, in dem mehrere Männer in einer Art von gelben Regenanzügen mit Hauben und Sichtfenstern aus Plastik vor den Gesichtern herumliefen. Drei dieser Gestalten kamen heraus und schoben Wagen und Zylinder hastig durch die Tür, während zwei andere mit Maschinenpistolen Wache hielten. Dann wichen alle zusammen hinter die Tür zurück, worauf die Stahlplatten sich wieder zusammenschoben und den Tunnel abriegelten.
Virgil blieb ein paar Minuten reglos liegen und bemerkte dabei noch einige andere Dinge: Fernsehkameras an den Wänden, die sich unablässig auf elektrischen Schwenkarmen hin und her drehten; chemische Gerüche, die durch den Tunnel wehten, als die Tür wieder geschlossen war; und jede Menge angenagte und gebrochene Rattenknochen auf dem Boden um ihn herum. Da kam Virgil Gabrielsen zu dem Schluß, daß es am klügsten wäre, wieder umzukehren und es mit den Riesenratten aufzunehmen.
Das zweite Semester war schon mehrere Tage alt, als die Verwaltung endlich mit der Wahrheit über die Bibliothek herausrückte und gestattete, daß die Medien die endlosen Reihen der Aktenschränke mit ihren vollkommen leeren Schubladen fotografierten.
Die Täter hatten am ersten Weihnachtstag zugeschlagen. Der Plex war so gut wie menschenleer gewesen, der Eingang nur von einem einzigen Wachmann an einem Drehkreuz bewacht worden. Um acht Uhr morgens trafen zehn recht junge und haarige Burschen in Uniformen von B-Männern ein und erklärten stock-end, daß sie sich als Kroatobaltoslowenen an den Julianischen Kalender hielten und Weihnachten schon gefeiert hätten. Ob sie nicht hereinkommen, notwendige Klempnerarbeiten erledigen und sich das Vierfache an Überstunden verdienen könnten, weil sie am Weihnachtstag arbeiteten? Der skeptische Wachmann ließ sie ein; wenn er den Hausmeistern nicht trauen konnte, wem dann?
Wie die Polizei rekonstruierte, hatten die Einbrecher alle Wäschekarren in den Katalogbereich gefahren, die sie finden konnten. Damit fuhren sie durch die Reihen der Katalogschränke, lösten die Haltebolzen sämtlicher Schubladen und kippten den Inhalt in die Wagen. Die 4,8 Millionen Bände der Bibliothek waren in zwölftausend Schubladen voller Karteikarten erfaßt; eine simple Berechnung ergab, daß jeder, der es mit dem Sortieren nicht so genau nahm, sämtliche Karten in ein Dutzend Wäschekarren kippen konnte. Die Karren waren anschließend mit den Lastenaufzügen zur Verladerampe gefahren und in einen Mietwagen gerollt worden, der laut Autoverleih inzwischen als gestohlen gemeldet worden war. Der Mieter, ein Mr. Friedrich Engels hatte es versäumt, eine richtige Adresse und Telefonnummer anzugeben, und erwies sich als schwer aufzuspüren. Die einzige Schublade, die niemand angerührt hatte, war Nummer 11.375: STALIN, JOSEF bis STALLBAUM, JOHANN GOTTFRIED.
Die Bibliothek wandte sich an das Computersystem. In den vergangenen fünf Jahren hatten für einen Hungerlohn arbeitende Katalogisierer damit begonnen, den Katalog in das Computersystem einzugeben; die Verwaltung hoffte, daß man zehn Prozent des Katalogs auf diese Weise retten konnte. Statt dessen stellte man fest, daß vor kurzem eine schreckliche Computerfehlfunktion den Katalog beschädigt und sämtliche Kennziffern und Haupteinträge gelöscht und durch Klopf-Klopf-Witze, Werbeslogans für Rasierschaum der Marke Burma-Shave und Abhandlungen über die sexuellen Gepflogenheiten des Personals im Rechenzentrum ersetzt hatte.
Die Situation war nicht
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