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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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langsamer wurde, so daß er das Rad gleich hektisch auf eine höhere Frequenz einstellen mußte. Darauf reagierten die Ratten mit Schmerzenslauten und wichen wie in Zeitraffer im flackernden Lichtschein zurück. Jetzt bestand Virgils Sicht aus einer Abfolge einzelner Bilder, jedes geringfügig anders als das vorherige, und er sah nur Ratten, Dutzende Ratten, und jedes leuchtende purpurne Rattenbild brannte sich perfekt in sein Gedächtnis ein, bis er sich kaum noch an etwas anderes erinnern konnte. Ihre Angst machte ihm Mut, daher tastete er nach dem Rad und schraubte die Frequenz weiter hoch, bis sie plötzlich einen Wendepunkt erreichten; danach gerieten sie in völlige Raserei, fielen hysterisch aufgepeitscht übereinander her und begannen an der Tunnelkreuzung das blutige Gemetzel eines Zeitraffernahkampfs. Bestürzt und angeekelt machte Virgil die Augen zu, damit er nicht Zeuge wurde, und sah nur noch die roten Adern in seinen Lidern, die immer wieder vor einem gelb-rosa Hintergrund hervorsprangen.
    Einige der Ratten stießen gegen seine Beine. Er senkte das Zepter, so daß das Blinklicht sich zwischen seinen Knöcheln befand, und orientierte sich durch Schall und Tastsinn und entfernte sich rasch von der verstopften Kreuzung den Tunnel hinab, der nicht auf den Plänen eingezeichnet war. Er machte die Augen auf, lief schneller und hielt das Blinklicht vor sich wie den Gehstock eines Blinden. Von Zeit zu Zeit begegnete er einer Ratte, die sich der Quelle von Schall und Wahn genähert hatte und dann in konvulsivische Zuckungen verfallen war, als sie dem sprintenden Elektronikspezialisten mit seinem Zepter begegnete. Aber bald sah er keine Ratten mehr und schaltete es ab.
    Etwas zupfte an seinem Gürtel. Er tastete vorsichtig und stellte fest, daß es das Stromkabel der Helmlampe war, die ihm vom Kopf gefallen war und seither hinter ihm baumelte. Er stellte fest, daß die Linse, als er den Schmutz abgewischt hatte, ein flackerndes Licht spendete – irgendwo mußte ein Wackelkontakt sein –, in dem er aber dennoch sehen konnte.
    Dieser unbekannte Tunnel war vergleichsweise schmal. An der Decke wimmelte es zu Virgils Schrecken von Fledermäusen, der Boden allerdings frei von der stinkenden Brühe, die in unterschiedlicher Tiefe in fast allen anderen Tunneln stand. Statt dessen sah er einen dünnen Film einer schleimigen Flüssigkeit und weißen Fledermausguano, der zwar stank, ihn aber nicht behinderte. Das war vermutlich ein gutes Zeichen; der Durchgang mußte irgendwo hinführen. Er merkte sich die Einstellung des Rads, bei der den Ratten die Sicherungen durchgeknallt waren, dann hängte er sich die Waffe über die Schulter und ging weiter den Gang entlang, in dem er sich, da kein zäher Schlick seine Füße festhielt, erstaunlich leichtfüßig bewegen konnte.
    Nicht lange, und er entdeckte ein Licht am Ende des Tunnels. Er verfiel in Laufschritt und konnte es bald deutlich erkennen, etwa fünfzig Meter entfernt: eine Region am Ende des Durchgangs, die sauber und weiß in Neonlicht erstrahlte. Die Pläne hatten nichts von alledem gezeigt.
    Er war immer noch mindestens dreißig Meter entfernt, als eine Schiebetür direkt am Ende des Tunnels aufging. Er blieb stehen, ging an der Tunnelwand in die Hocke und legte sich dann flach auf den Bauch, als er Rufe hörte.
    »Ho! Hiiija! Gitska!« Mit diesen und anderen Geräuschen lugten drei B-Männer aus der Tür und den Durchgang hinab, dann kamen sie mit Waffen heraus – nicht einfache Pistolen, sondern kleine automatische Gewehre. Zwei gingen auf dem Boden in eine kniende Haltung und hielten die Waffen in den Tunnel, ihr Anführer, ein Hüne von einem B-Mann namens Magrov, stand hinter ihnen und sah durch das klobige Infrarotzielfernrohr seiner Waffe den Tunnel hinab. Etwa auf halbem Weg zwischen Virgil und den B-Männern war eine Riesenratte aufgesprungen und kam auf Virgil zugelaufen. Dann ertönte ein Krachen, und ein Licht flackerte auf, dem von Virgils Zepter nicht ganz unähnlich, worauf ein Dutzend Kugeln aus der Ratte einen langen Streifen auf dem Boden machten. Magrov leuchtete mit einer starken Taschenlampe über die Fetzen des Nagetiers, aber offenbar war Virgil so klein, schmutzig und weit entfernt, daß er ihn nicht bemerkte. Magrov rülpste lautstark, die traditionelle Kroato-Bekundung höchsten Abscheus, worauf die beiden anderen zustimmend murmelten. Er gab Leuten, die offenbar hinter der Schiebetür warteten, ein Zeichen.
    Ein großer Metallzylinder,

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