BIGHEAD - Ein brutaler, obzöner Thriller (German Edition)
30 Jahre lang Blumen auf das Grab ihrer Mutter gelegt. Höchste Zeit, dass ich es selbst mache, dachte Charity und pflückte ein paar Blumen im Wildgarten. Sie stellte einen hübschen Strauß aus Lobelien und Zitronenmelisse zusammen, eine fröhliche Kaskade aus Rot und Pink. Als Tante Annie sie gefragt hatte, ob sie mir ihr zum Friedhof gehen wolle, hatte Charity ohne Zögern zugestimmt.
»Es ist so heiß«, sagte Annie, als sie den ausgetretenen Weg entlanggingen. Sie trug einen großen weißen Sonnenhut und ein leichtes pastellfarbenes Kleid. Doch Charity bemerkte, dass ihre Tante immer wieder ihre freie Hand zum Busen hob und rieb, als würden ihre Nippel jucken. Charity trug zur Abwechslung Shorts und eine lindgrüne bauchfreie Bluse. Und ihre Tante hatte recht: Es war heiß, sogar so spät am Tag noch.
»Ich weiß gar nich’, wo Goop abgeblieben is’«, sagte Annie. »Ich hab’ ihn nicht gesehen, weder im Garten noch im Haus. Wahrscheinlich is’ er mir noch böse, dass ich ihn nach Roanoke geschickt hab’. Er weiß bestimmt, dass ich’s getan hab’, damit er Jerrica nich’ auf die Nerven geht.«
»Mach dir keine Sorgen, Tante Annie. Er wird irgendwo was erledigen, aber ...«
Charitys Gedanken kamen zum Stehen. Wie sollte sie es formulieren? Die Frage juckte sie schon die ganze Zeit wie ein Ausschlag. »Ich muss dich etwas fragen.«
»Was denn, Liebes?«
Die Sonne brannte auf Charitys Wangen. Gras knickte unter ihren Sandalen. »Ich würde gern etwas über das zweite Grab erfahren. Das anonyme Grab, auf das du vorgestern Blumen gelegt hast.«
Stille. Die beiden gingen schweigend den Weg entlang. Charity wartete, bis ihre Tante schließlich sagte: »Das ist nur ... irgendwas. Musst du dir keine Gedanken drum machen.«
Nicht gerade eine befriedigende Antwort.
Und dann wechselte Annie das Thema und sagte: »Ich kann’s gar nicht erwarten, dass Jerrica und der Pater wieder zurück sind. Ich liebe es, für andere zu kochen. Heute Abend gibt’s Flusskrebs-Stew, Buttermilch-Laugenkekse, gedünstete Kermesbeerentriebe und gestürzten Birnenkuchen zum Nachtisch. Der Pater wird es lieben.«
»Er ist ein wunderbarer Mann, nicht wahr?«
»Oh ja, ein wirklich feiner Mann Gottes.«
Doch Charity konnte sich nicht ewig mit diesem Small Talk abgeben. Sie hätte am liebsten noch einmal nach dem anonymen Grab gefragt, aber sie sagte sich, dass jetzt wohl nicht der richtige Augenblick war. Sie wird es mir erzählen, wenn sie so weit ist ...
Schließlich kamen sie am Friedhof an, sein hohes Gras leuchtete hell in der Sonne. Als sich der Weg auf die Friedhofslichtung öffnete, stolperte Charity über eine Baumwurzel und ließ ihren Blumenstrauß fallen. »Oh, ich muss sie wieder aufsammeln!«, rief sie. »Geh schon zu den Gräbern, Tante Annie, ich bin gleich bei dir.«
Ihre Tante ging weiter und schien im grellen Sonnenlicht zu verschwinden.
Charity bückte sich, um die Blumen aufzuheben und wieder zu einem Strauß zu arrangieren, und –
Hörte einen Schrei.
Sie schoss hoch, erstarrte und rief: »Tante Annie!«
Die einzige Antwort bestand in einem weiteren Schrei.
Charity rannte, trat achtlos auf die Gräber. Sie sprintete zum anderen Ende des Friedhofs, wo sie ihre Tante auf dem Boden zusammengebrochen fand.
Und sie sah noch etwas:
Das Grab ihrer Mutter und das merkwürdige anonyme Grab –
Mein Gott!
– waren aufgegraben.
NEUNZEHN
(I)
Wo zur Hölle ist sie?, fragte sich Alexander. Er hatte vor der Wand im Keller kapituliert; er war völlig fertig. Er würde morgen wiederkommen und den Rest der Steine losschlagen müssen. So ein alter abgefuckter Priester wie ich – Scheiße. Ich sollte es langsamer angehen lassen.
Aber wo war Jerrica?
Es war übel gewesen, das wusste er – dieser Eimer Scheiße, den er gestern über sie ausgekippt hatte. Er war überrascht, dass sie überhaupt noch mit ihm redete. Sei realistisch, Tom, sagte er sich. Die Menschen haben nun einmal Fehler, sei nicht so hart.
Immer noch ohne Hemd und von der relativ frischen Luft belebt ging er um die Abtei herum. Hohe Bäume mit schweren grünen Ästen ragten über ihm auf; Blütendüfte berauschten ihn beinahe und Vögel kreischten. Doch Jerrica war nirgends zu sehen.
Er zündete sich eine Lucky an und ging den Pfad hinter dem Gebäude hinab. »Jerrica!«, rief er. »Wo sind Sie?« Doch als er am Ende des Pfades und am Ufer des Sees ankam, dachte er: Oh, nein . Ihre Sandalen, ihr Top und ihre Shorts lagen auf einem
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