Biker's Barbecue (German Edition)
namens Woodstock ein Radgeschäft geben soll.
Irgendetwas ist anders in diesem Kaff. Das merken wir schon beim Hineinfahren: Überall schleichen so seltsam abgesandelte Typen mit einer Träne im Augenwinkel herum. Die Autos sind bunter und vergammelter als anderswo. Endlich fällt der Groschen. Als wir einen gleichaltrigen Passanten fragen, ob das hier möglicherweise das Woodstock sei, schnauzt der sichtlich genervt ob der blöden Frage zurück: „Ja, das ist das Woodstock! Oder haben wir hier nicht genug Hippies aufgestellt?“
Woodstock hat etwas von einer Künstlerkolonie. Alles ist ein bisschen märchenhaft: An jeder Ecke verkauft einer Nasenringe oder Räucherstäbchen oder handgedrehte Kerzen (oder handgedrehte Räucherstäbchen – was da wohl drin ist?).
In einem Lokal gibt’s Samuel Adams Lager – so viel man vertragen kann um sechs Dollar. Wir vermuten, dass sich das Angebot für zwei dauerdurstige Radfahrer auszahlen könnte. Außerdem soll Bier ja gesund sein, für die Nieren und so. Wir ringen uns durch, das Angebot auszuprobieren, und trinken ein Gläschen (auf die Nieren ganz allgemein, dann auf die linke, auf die rechte, auf die des Barkeepers, des Lokalbesitzers, der vielen unnahbaren Mädchen usw.).
Natürlich haben wir uns vorher ein kostenloses Nachtlager organisiert: Im Hinterhof des Woodstocker Radgeschäftes breiten wir eine zufällig gefundene Plastikplane über eine zufällig vorhandene Gartenlaube. Der Besitzer hat vorsichtshalber den Sheriff angerufen – der Arm des Gesetzes soll schließlich wissen, dass wir nicht zu den üblichen Typen gehören, die sonst in diesem Hinterhof herumlungern.
Woodstock entpuppt sich als die „ordentlichste“ Stadt des gesamten Kontinents: Natürlich gibt es hier hie und da Alkoholprobleme und auch so etwas wie Arbeitslosigkeit. Trotzdem, kein einziger betrunkener Sandler in der ganzen Stadt – dafür ein paar Hippies mehr als anderswo …
6.
You’re gonna meet some really weird people out there … Nick, Boston
Seit heute Nacht sind wir die Wuzelkönige von Woodstock. Wider Erwarten spielen die Amis in ihren Beiseln auch Tischfußball. („Was, das kann man auch auf Rasen spielen?“) Die Tische sehen zwar ein bisschen komisch aus (es gibt drei Torwarte – für jeden, versteht sich). Aber sonst haben sich die Burschen (und Mädels) ganz passabel bis drei Uhr früh gegen die endgültige Vernichtung durch das österreichische Dreamteam gewehrt.
Tobi und Samuel Adams haben unseren Schlafplatz in der Nacht erfolgreich mit einem ausgedienten Golfschläger gegen einen Alt-Hippie verteidigt, der Frieden und Glück ausgerechnet im Müllcontainer neben dem Radgeschäft suchte und dabei auch ein verliebtes Auge auf unsere Räder geworfen hatte.
Wir erwachen entgegen allen Befürchtungen nicht im strömenden Regen. Trotz wenig Schlaf sind wir mental erfrischt: Die vergangene Nacht war wirklich nett und damit Basis genug, um heute bei anfänglich kühlem, ein wenig regnerischem Wetter wieder kräftig in die Pedale zu treten.
Nur die Straße spielt irgendwie nicht so richtig mit. Wenn die Amis wüssten, wie man ordentliche Serpentinen baut, dann hätten wir diesen Achterbahn-Tag in der Hälfte der Zeit erledigen können. Aber denen ist das Wurscht. Hier fahren die Leute ja sogar zum Briefkasten mit dem Auto.
Es ist schon seltsam: Eigentlich hatte ich immer gedacht, dass sich die Menschen in Amerika von uns Europäern durch irgendetwas grundlegend unterscheiden würden. Aber im Prinzip sind die Leute hier genauso wie zu Hause; es ist nur das Land, das offener und weiter ist. Das gibt den Leuten die Chance zu mehr Freiheit und Offenheit – manchmal allerdings auch zu größerer Spießigkeit.
Am späten Vormittag feiern wir ein Wiedersehen mit Route 28, die wir gestern um Woodstock willen verlassen hatten. Route 28 führt uns laut Karte zum ersten Mal durch Indianergebiet. Hätte nicht heute mein Radcomputer seinen Geist aufgegeben (Stefans funktioniert seit gestern wieder), dann wäre es dank plötzlicher Sonne und blauem Himmel ein restlos schöner Tag geworden.
Sonne und blauem Himmel ist es dann zu verdanken, dass wir einen kräftigen Sonnenbrand bekommen – allerdings nur links: Logisch, wir fahren ja immer nur nach Westen. Und die Sonne wandert den ganzen Tag südlich, also links von uns vorbei.
Als uns die Sonne schon lange überholt hat und es bereits dämmert, kommen wir in einen Ort namens Walton. Stefan mag die Stadt schon nicht, als
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