Biker's Barbecue (German Edition)
aber akzeptabel. Aber meinen Ohrring herausnehmen? Wenn die Mädels alle ihre Ohrringe behalten dürfen, dann fühle ich mich diskriminiert! Blöde Mormonen!
Dafür haben sie sich Mühe gegeben, die Party wirklich olympisch zu machen: Auf einer Großbildleinwand kann man live den Einzug der Athleten in Atlanta verfolgen. Und es gibt Olympiabewerbe für die Partygäste. Die drei Hauptpreise: zwei Kinokarten, ein Gutschein für ein Riesensandwich und ein original Atlanta-T-Shirt.
Beim Radbewerb (mit einem Dreirad soll man, ohne sich die Knie auszukegeln und möglichst in Bestzeit, einen Slalom-Parcours durchfahren) hab ich doch tatsächlich die zweitbeste Zeit geschafft und das Sandwich gewonnen. Als gerade im Moment der Preisverleihung die österreichische Mannschaft auf der Leinwand in Atlanta einmarschiert, greife ich mir in einem Anfall von Übermut ein Mikro: „We are from Austria und radeln gerade durch die States, nur um heute Abend hier live dabei zu sein. Es ist ursuper leiwand bei euch. Vor allem, weil man da draußen, wie ihr euch vorstellen könnt, mit der Zeit sehr, sehr einsam wird, besonders jetzt, nach 2900 Meilen. Apropos einsam: Ich hab da vorhin einen silbernen Ohrring auf dem Boden gefunden und würde ihn bei der Besitzerin gerne gegen einen Tanz eintauschen.“
Dieser Schleimer! – Aber lieb irgendwie. Und natürlich eine großartige Rede!
Als die Party pünktlich um Mitternacht ihr jähes Ende findet und sich die ganze glitzernde Festgesellschaft – ähnlich wie bei Aschenputtel – wieder in ihre weltlichen Bestandteile auflöst, fahren wir mit ein paar Studenten raus aus der Stadt, um irgendwo unterm Sternenhimmel noch ein Lagerfeuerchen anzuzünden. So landen wir am Ende wieder in der Wüste. Eigentlich nur wenige Meter von den Sanddünen entfernt, die vorgestern unsere feurige Fiesta über sich ergehen lassen mussten, sitzen wir nun im Kreis, frönen dem olympischen Gedanken (dabei sein ist alles …) und starren in die Glut.
Es weiß eben nicht jeder, wie man Feste feiert.
20.
Against the Wind Bob Seeger
Beschränkte Welt
In rauen, unberechenbaren Böen bläst der Wind von Südwest die Straße herauf. Längst habe ich mich in den Triathlonlenker verkrallt, den Kopf demütig und resignierend zu Boden geneigt, den Blick vom Horizont gelöst und gesenkt, und starre durch mein Lenker-Dreieck auf den grauen, unter mir davonfließenden Asphalt. Alles, was ich dazu sehen muss, ist das schmale weiße Band, das die Straße vom Pannenstreifen trennt und konstant 20 Zentimeter rechts von meinem Vorderrad dahinläuft. Wie der Leitstrahl, der ein Flugzeug bei Nacht und Nebel auf die Landebahn holt. Schmerzfrei ist diese Körperhaltung nicht, aber sie ist das geringere Übel, an das ich mich längst gewöhnt habe. Mein linker Fuß schläft mit der Zeit ein, auch eine verzweifelte Positionsänderung auf dem Pedal ändert daran nichts. Meine Knie knirschen leise, aber leider unüberhörbar. Die Nase läuft chronisch vom Heuschnupfen, das linke Auge ist trocken vom ewigen Südwestwind.
An meinem Handgelenk trage ich das Lederband, das ich im Indianerreservat gefunden habe. Ich schaue jetzt immer wieder darauf, wenn ich Kraft brauche. Und das ist oft der Fall. Das Band macht sich gut auf der jetzt sonnengegerbten, dunklen Haut. Vor mir schaukelt in Augenhöhe der kleine wassergefüllte Autokompass, den ich mit Klebeband befestigt habe. Die Kugel tanzt und hüpft unkontrolliert im Kreis. Darunter der Radcomputer mit seinen schwarzen, unbestechlichen Digitalziffern, auf die ich viel zu oft schiele.
In dieser beschränkten kleinen Welt spielt sich mein heutiger Tag ab. Der Blick wandert, wie von einer Schnur gezogen, auf ewig gleichen Pfaden: Eins – Straße. Zwei – Tacho. Drei – Kompass. Vier – Armband. Eins – Straße. Zwei – Tacho. Drei – Kompass … Wie ein Tier, das unruhig in seinem Zoogehege auf und ab läuft. Oder besser: wie ein Schrebergärtner, der den ganzen Tag das Wachstum seiner Tulpen kontrolliert.
Nach einem langen, erholsamen Vormittagsschläfchen und einem nicht ganz so langen, aber ebenfalls sehr angenehmen mexikanischen Brunch ist es schon fast halb eins. Nichtsdestotrotz beschließen wir, heute noch die beinahe 90 Meilen nach Arco zu fahren. – Schade nur, dass wir dabei die Rechnung ohne den Wind gemacht haben.
Eine unfassbar mühsame Etappe! Bereits nach wenigen Meilen kommen Zweifel auf, ob wir unser heutiges Tagesziel überhaupt erreichen werden.
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