Bilder von dir: Roman (German Edition)
dass es wie eine Hecke aussah, die er dann mit weißer Farbe gestrichen hatte, welche sich in der weißen, über den Boden geschmierten Farbschneise verlor. Vor dem Weiß hatte er vier klare Glasflaschen aufgereiht, ohne Korken, leer und bereit, alles aufzunehmen, was aus dem Himmel herabfallen könnte – oder bereits gefüllt mit etwas, das unsichtbar blieb. Am Halsansatz seiner Frau hatte Arthur einen einzigen silbernen Stern angeklebt, Anhänger und ferne Welt zugleich.
»Und das hast du gemacht?« Astors Stimme klang jetzt kräftiger, aufgeregter.
»Mehr oder weniger«, meinte Eugene mit einem Achselzucken. »Begleicht das die Schulden, die ich bei dir habe?«
Astor stellte den Kasten behutsam ab, erhob sich und schloss Eugene in die Arme. Eugene verschwand komplett in der Umarmung seines Vaters und reagierte auf die Träne, die sich entlang seiner Nase ihren Weg bahnte, anfangs erschrocken und dann verblüfft. »Du bist wirklich mein Junge«, sagte Astor und dann lachten sie beide, nur sie beide, in der zitronengrün-gelben Wendell-Küche. Eugene spulte es immer wieder in seinem Kopf ab, durchlebte es noch einmal genauso, wie es sich abgespielt hatte: sein eigenes Kunstwerk, sein eigener Triumph, sein eigener Vater und die Liebe seines Vaters, die so umfassend und perfekt war und ihm gehörte. Etwas, worüber er selbst bestimmen konnte. Wovon er jedem erzählen konnte, wenn er wollte. Ein Beweis dessen, was er für diese Welt wert war – angefangen bei seiner Freundin, die ihn mit großen Augen ansah und am anderen Ende des Rücksitzes seines Impalas saß.
Oneida erzählte er: »Ich habe eigentlich nicht gelogen, als ich sagte, mein Vater sei Kunstfälscher. Er leiht sich echte Gemälde aus und kopiert sie, und sein Freund hilft ihm dann, sie an private Sammler auf der ganzen Welt weiterzuverkaufen. Ich habe Arthur dazu verleitet, eine neue Fälschung zu machen, eine echte Fälschung, von der keiner weiß, dass sie existiert, und die mein Vater vorgeblich entdecken wird.«
Oneida erwiderte nichts darauf. Sie saß ganz still da und starrte ihn an, ohne mit der Wimper zu zucken. Eugene schüttelte sich, als ihn ein kalter Adrenalinstoß durchzuckte.
Oneida, die noch immer nicht geblinzelt hatte, sagte: »Und du erzählst mir die Wahrheit.«
Eugene nickte. Wenn er jetzt den Mund öffnete, würde er sich über ihr erbrechen, so viel stand fest.
Oneida drückte den Türgriff nach unten, sprang aus dem Wagen und rannte lachend und schreiend um den Wagen. »Oh, mein Gott «, kreischte sie. »Das ist das Unglaublichste , was ich je gehört habe!«
Eugene stürzte sich aus dem Wagen und rannte ihr auf wackeligen Beinen, einer Ohnmacht nahe, hinterher. »Pst!«, sagte er mit belegter Stimme. »Brüll nicht so rum, das ist ein Geheimnis! Ein großes Geheimnis, das darfst du nie jemandem erzählen!«
»Ich weiß, ich weiß!« Sie stützte sich mit einem Arm auf der Kühlerhaube des Wagens ab und lachte hysterisch. Eugene hatte keine Ahnung, was er tun sollte – was ihre Reaktion bedeutete oder wie er damit umgehen sollte. Wenn möglich, sollte er sie vielleicht davon überzeugen, dass es gelogen war – er gelogen hatte, es nicht wahr war. Es musste doch einen Weg geben, ihr Wissen wieder ungeschehen zu machen, unbedingt. Oh, mein Gott, das war viel zu gefährlich. Jetzt erkannte er es: Er begriff es mit einer Klarheit, die wie Säure brannte. Und alles, was er jemals für Oneida Jones gefühlt oder von ihr gedacht hatte, rutschte unter ihm weg wie bei einem Erdrutsch, einem Erdbeben, einem Krater: entglitt unkontrollierbar und unfassbar auf erschreckende Weise seinen Händen, für immer.
Sie stand wieder aufrecht und wischte sich die Augen trocken (lachte sie so heftig oder weinte sie? Du lieber Himmel, was hatte das jetzt zu bedeuten?). Dann griff sie nach seinen Händen und sagte: »Keine Sorge, hab keine Angst, ich werde es nie jemandem erzählen, niemals; ich finde es ganz großartig! «
Bleib ganz ruhig, sagte sich Eugene: Bleib cool. Tue so, als wäre es dir egal. Tu einfach so, als hättest du nichts gesagt . Er küsste sie und betete darum, dieser Kuss möge auslöschen, was sie beide wussten.
18 Ich bin froh, nicht dort zu sein
Mona fasste den Entschluss am Sonntag – nachdem Eugene nach Hause gegangen war, sie zu Abend gegessen hatten und Oneida ungefragt beim Abwasch half. Sie sagte sogar »Danke, Mom« in rauem Flüsterton, was beim Plätschern des Spülwassers zwar kaum zu hören
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