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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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immer, und was sie da sagte, war sehr sachdienlich, wie sein Gehirn verschwommen registrierte. Aber er konnte sich nicht von Monas Blick lösen, kam nicht heraus aus der Tiefe ihrer Augen, wurde die Bilder nicht los, in denen sie in der Schule den Flur entlangschritt, eine Schülerin kurz vor dem Abschluss, die Ballkönigin und Anführerin der Cheerleader, in deren Schlepptau sich die verdutzten Körper leicht erregbarer Schüler der Unterklassen verfingen. Er verspürte in seinem Unterleib eine vertraute und beängstigende Wärme. In etwa dreißig Sekunden bekäme er ein ernsthaftes Problem.
    »Was gibt’s zum Abendessen?« Oneidas Stimme war hoch und dünn und ganz weit weg.
    »Ich weiß nicht, ob Oneida es dir gesagt hat, Eugene, aber du bist herzlich eingeladen, zum Abendessen zu bleiben. Es gibt Roastbeef und Kartoffelbrei.« Bildete er sich das nur ein, oder hatte Mona tatsächlich die ganze Zeit über Blickkontakt zu ihm gehalten? Hatte sie überhaupt mal geblinzelt? » Karotten . Du kennst das ja.«
    Karotten, überlegte Eugene verzweifelt. Gott sei Dank saß er, aber dennoch. Das … war … ein Problem. Er beugte sich vor und trommelte, die Ellbogen aufgestützt, mit seinen Fingern.
    »Danke«, sagte er. »Aber ich denke, meine Eltern erwarten mich. Das sonntägliche Abendessen ist immer, na ja, was Besonderes … bei uns zu Hause.« Gelogen .
    »Das ist schön«, sagte Mona. »Was machen deine Eltern?«
    »Mein Dad ist Sicherheitswachmann, und meine Mom ist zu Hause. Sie arbeitet manchmal freiberuflich, macht das Design für Broschüren. Briefköpfe. Visitenkarten.« Liste weiter Büromaterial auf. Für Büromaterial interessiert sich keiner. Post-its. Büroklammern. Scheren .
    Mona setzte sich auf Arthurs freigewordenen Stuhl und konzentrierte sich auf den Cornellstapel. Die einzigen Geräusche im Raum waren das leichte Klopfen von Eugenes Fingerspitzen auf dem Tisch, das Klirren von Cornells Kinkerlitzchen und das Knistern von Papier sowie das kalte metallische Schaben von Metall auf Metall, denn Oneida öffnete und schloss die Schere in einem methodischen Rhythmus, dem Eugene selbst in seinem gegenwärtigen Zustand entnahm, dass es sich um eine Botschaft handeln musste. Er war schon zu weit, um genau zu verstehen, wie die Botschaft lautete, aber in ihrer Bedrohlichkeit verhieß sie nichts Gutes. Doch über eins war er sich im Klaren: Die Jones-Frauen waren sein Untergang, und er würde ihn genießen.
    »Ich hab’s!« Arthur kam angestürmt und erschreckte Eugene so sehr, dass er wie ein stranguliertes Erdhörnchen kreischte. Arthur hatte sich einen pinkfarbenen Karton unter den Arm geklemmt und hielt ein Foto in der Hand. Als er beides auf den Tisch legte, zuckte Mona zurück. Heftig.
    Oneida sah es nicht. Sie beugte sich nach vorne, um sich das Foto anzusehen und fragte: »Wer ist sie?«
    Es war eine Schwarz-Weiß-Aufnahme und zeigte eine Frau, die mit abgewandtem Gesicht nackt an einem Strand dicht am Wasser lag. Ihr Körper, ihr Gesicht waren der Kamera abgewandt, die Hüften verdreht, und ein Bein lag über dem anderen. Sie wirkte nicht wie tot, obwohl man ihre Augen nicht sehen und somit auch nicht sagen konnte, ob sie offen oder geschlossen waren; jeder ihrer Züge war voller Leben, wie Eugene fand, wie eine Meerjungfrau, die angespült worden war und einen Moment ruhte, bevor ihr Schwanz nachwuchs und sie den Heimweg antrat. Ihre Kinnlinie. Die Biegung ihres Ellbogens, der über ihrer Brust lag. Die langen geschwungenen Muskeln ihrer Oberschenkel. Ein Fuß, der mit eingerollten Zehen über ihrem Unterschenkel lag, die Zehen winzige Perlen. Das rankende, vom Klatschen der Wellen ins Meer hinausgezogene Haar über ihr.
    »Meine Frau«, sagte Arthur.
    Oneidas Mund öffnete sich kreisrund.
    »Dieses Foto habe ich am Zuma Beach gemacht«, sagte er. »Sie liebte Tequila … Wir feierten etwas, was genau, weiß ich nicht mehr – wahrscheinlich hatte sie ein unüberwindliches Problem in der Arbeit gelöst. Wir fuhren hinunter nach Malibu und schmuggelten die Flasche unter unseren Mänteln versteckt an den Strand, wo wir uns in den Dünen verschanzten und tranken und …« Arthur lächelte und ließ die Schultern fallen. »Ihr könnt es euch vorstellen. Da hab ich es aufgenommen.«
    Mona sah das Foto nicht an. Würdigte es mit keinem Blick. Starrte ihre Hände an, schaute dann auf die gegenüberliegende Wand, dann auf Eugene, der sie in diesem Moment direkt ansah. Sie riss sich los von ihm. Was zum

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