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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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sie dachte, es würde sie auf ein Gespräch mit ihrer Tochter vorbereiten, das ihr immer dringender zu werden schien. Doch während dieser Enthüllung wurde Mona klar, dass sie über Ben Tennant nicht mehr als seinen Namen sagen konnte. Ansonsten wusste sie gar nichts über ihn und hätte auch nicht mehr sagen können, ohne das andere Geheimnis zu verraten: das Geheimnis, das ihres war und ihr jahrelang allein gehört hatte. Sie wusste nicht, womit sie anfangen sollte, also ließ sie es sein. Es war sicherer so.
    Also, wo genau begann die Geschichte?
    Begann sie an jenem Nachmittag, als sie Godzilla Tokio verwüsten sahen und Amy das erste Mal Ben Tennants wegen weinte und sie Mona von der Postkarte und ihrem gebrochenen Herzen erzählte?
    Begann es am Abend des Halbjahresballs, als Mona sich mit Ben in der Lobby des Landmark Hotels unterhielt, Amy ihr die Handtasche an den Kopf warf und wegrannte, worauf Ben ihr folgte? Nein: All das war die Hintergrundgeschichte. Nur die beweisrelevanten Einzelheiten des Falls. Die Geschichte, die zu hören Arthur nach Ruby Falls gekommen war – die Geschichte, die Mona, abgesehen von ihrer Mutter, im Jahr, bevor diese starb, keiner Menschenseele erzählt hatte –, begann in Amys Schlafzimmer an einem Frühlingstag im Jahr 1993.
    Als Mona am Freitagmorgen ihre Augen aufschlug, gab es keine Vor- und Nachteile mehr zu analysieren. Es mussten nur noch ein Angriff geplant und die Barbestände überprüft werden. Der Pegel in der Wodkaflasche war niedriger, als Mona ihn von ihrer letzten Überprüfung in Erinnerung hatte, die aber schon Monate zurücklag. Sie würde sich Sherman zur Brust nehmen müssen, der sich nachmittags gern einen Cocktail genehmigte, den dafür benötigten Alkohol aber gefälligst ersetzen sollte. Es gab noch eine fast volle Flasche Tequila, und Mona notierte sich auf ihrer geistigen Einkaufsliste Zitronen einkaufen . Sie ließ auf dem Küchentisch eine Speisekarte für die Milky Way Bar and Grill, dazu ihre übliche Notiz für die Bestellung des Abendessens (An alle Mieter: Notieren Sie, was Sie haben möchten, legen Sie die $ zurecht, Abendessen um 19 Uhr) und verließ daraufhin das Darby-Jones. Sie wartete nicht, bis Arthur aufwachte. Sie wollte ihn noch nicht sehen, nicht heute.
    Mona fuhr in die Stadt, kaufte drei Zitronen und eine Schachtel Taschentücher im Einkaufsmarkt und fuhr dann mit offenen Fenstern raus zur Route 12. Sie überholte einen Bus, der ratternd unterwegs zur Highschool war.
    Der einzige Hinweis, dass an diesem ganz besonders einsamen Ort im Wald einmal jemand gelebt hatte, war ein Briefkasten an der Straße mit einem Verweis nach rechts, dessen offene Klappe wie eine rostige Zunge herunterhing. Mona hielt am Straßenrand an und lief zu Fuß die zugewachsene Einfahrt hinunter, bis sie in der Mitte einer ebenen, baumlosen Fläche stand. Von Amy Hendersons Haus war nicht viel übrig geblieben. Mona wusste nicht, was juristisch gesehen mit dem Grundstück passiert war, nachdem Amys Großvater starb, aber wer immer es jetzt besaß, hatte den Unterschlupf zerstört, der einmal als doppelt so breiter Wohnwagen begonnen und Amy trocken und meist auch warm gehalten hatte.
    Mona schaute in die Richtung, aus der sie gekommen war, und bog dann nach rechts ab, weil dort einmal die vordere Ecke des Hauses gestanden hatte. Sie lief über die Erde dorthin, wo sich einst Amys Zimmer befunden hatte. Sie dachte etwas anderes als Kälte zu fühlen, aber anfangs war da nichts. Sie schloss ihre Augen und versuchte jenen Nachmittag nach der Schule wieder lebendig werden zu lassen, als Amy ihre Turnschuhe abstreifte, sich aufs Bett warf und sagte: »Dann bin ich jetzt also schwanger«, so wie man vielleicht sagt: »Jetzt habe ich Hunger.«
    Und so begann die Geschichte: Es war einmal vor langer Zeit, da streifte Amy Henderson ihre Turnschuhe ab und sagte zu ihrer besten Freundin: »Dann bin ich jetzt also schwanger.«
    Mona hatte damals nicht gewusst, ob es ihr erlaubt war, Fragen zu stellen, war aber auch kaum in der Lage gewesen zu begreifen, welche Fragen dies sein könnten. Sie erinnerte sich, dass sie ihre Arme um den Leib geschlungen und »Es tut mir so leid« gesagt hatte. Es war Frühling, Ende April, sonnig, warm und feucht, und Amy schlug ihre Beine unter und sagte: »Das braucht dir nicht leidzutun. Es ist schon okay. Ich meine, es ist nicht okay, aber es wird schon.«
    Die Mona von heute mit ihren zweiunddreißig Jahren, die wie ein Geist in Amys

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