Bilder von dir: Roman (German Edition)
Trost. Darin und in der kleinen Plastiktüte, die sie in Arthurs Tasche gesteckt hatte, als sie sich zum Abschied umarmten. Getrocknete Fondantblütenblätter, fest versiegelt mit einer Notiz, auf der stand: Hinterlass eine Spur und finde deinen Weg .
Sie schloss die Eingangstür. Als wäre das Zuschnappen ihr Stichwort, steckte Anna mit gierigem, wildem Blick ihren Kopf aus der Küchentür in den Flur. »Oh, mein Gott«, sagte sie. »Nun sag schon, Mona.«
»Halt den Mund, Anna«, erwiderte Mona und stieg die Treppe hinauf.
Sie zog einen Pullover an – draußen war es ein wenig kühl, und die Aula war nicht gut isoliert – und putzte sich die Zähne. Sie schnappte sich die Autoschlüssel und holte aus der Besenkammer einen Schraubenzieher. Als sie an Arthurs Zimmern vorbeiging (für sie würde es von jetzt an immer Arthurs Zimmer sein), brachte sie es nicht über sich, die Tür zu schließen, die er einen Spalt hatte offen stehen lassen. Sie ging davon aus, dass er womöglich ein paar Kleinigkeiten von sich zurückgelassen hatte – diesen Schuhkarton hatte sie immerhin zerstört –, also würde sie für den nächsten Mieter alles gründlich sauber machen müssen. Aber nicht heute Abend. Heute Abend rechnete sie mit Amy Henderson ab, mit Amy Henderson ganz allein.
Anna spülte das Geschirr, als Mona, die sich einen Schal um den Hals gewickelt hatte, sich bei ihr entschuldigte, sie angeschnauzt zu haben. »Ich habe mein Mobiltelefon dabei«, sagte sie. »Wenn die Polizei anruft, sag ihnen, sie sollen mich darauf anrufen. Wenn Oneida anruft, sag ihr, ich sei unterwegs. Wo immer sie ist. Ich hole sie ab.«
»Wohin fährst du?« Anna blies sich ein Haarbüschel aus ihren Augen.
»Zur Schule«, sagte sie.
Anna hakte nicht weiter nach. Sie nickte und wandte sich wieder dem schmutzigen Geschirr zu.
Das Autoradio bot ihr die Gesellschaft von Wilson Phillips. Die Highschool lag nur einen Song vom Darby-Jones entfernt, aber Mona glaubte, sich während der Fahrt an ihre ganze Zeit der Freundschaft mit Amy zu erinnern. Ihrer Freundin. Ihrer schrecklichen Freundin, der besten, die sie je hatte. Dachte an Ocean City und an David Danger. Den Rausch der Unabhängigkeit. Sie schaltete ihre Scheinwerfer an und erinnerte sich an Amy, die Pläne schmiedete, während sie die Promenade auf und ab lief – nichts als Beine und lange blasse Arme, dazu ihr Bauch hoch und rund, voller Leben, das nicht ihres war. Sie erinnerte sich an die im Seahorse auf dem Bett liegende Amy, ein Kissen unter den Knien und nackte Beine, die in die Luft strampelten, die harte Melone ihres Bauchs unterhalb des hochgeschobenen Rocks, auf die sie mit ihrem Finger einstach und dabei zu Mona sagte, Ist das nicht unglaublich? Begreifst du, was mein Körper da macht? Dazu ihr verhärmtes und verdutztes Gesicht, in dem der Schrecken des Begreifens Schatten unter ihre Augen malte, Schatten, die im Lauf der Zeit immer größer wurden. Sie erinnerte sich an die Amy des dritten und vierten Schuljahrs. Sie sah sie beide nach der Schule bei Amy zu Hause Kraft-Käsescheiben auf runden Crackern essen und Filme ansehen. Filme machen, Amy und ihre surrende Super 8. Sah sie ihre Freistunden im Werkraum verbringen, wo sie kleine Holzbühnen baute und in Handarbeit pelzige Ärmel für Arme, Beine und Torsos zusammennähte. Puppen baute. Monster machte.
Und sie dachte an Oneida, an Amys Tochter, die ihre Tochter war. An das Kind, das sie gewesen war. Sie dachte an ihre Eltern, die sie beide großgezogen hatten. An Oneida als Kleinkind, ein schlaues kleines Köpfchen, das bereits alt war, das durch das gleiche Haus wanderte, durch das auch Mona gewandert war, als sie im gleichen Alter war. Spielen mit den Erwachsenen. Fragen, ob jemand Rook mit ihr spielen wollte. Ein Kartenspiel und der Name des Witwers ihrer leiblichen Mutter – wenn das nicht komisch war. Sie hörte Oneida schreien, weil sie Fieber und Bauchweh hatte: Monas Unterarme brannten bei der Erinnerung an den heißen kleinen Körper ihrer Tochter, gleich darauf lachte sie, weil sie sich erinnerte, wie Oneida sich letztendlich übergeben hatte, explosiv und dämonisch, übers ganze Bett; und Mona, die ihrer Tochter die verschwitzten Löckchen aus der Stirn strich und dabei murmelte: Die Macht Christi wird dich austreiben!, hatte damit ihrer armen kranken Tochter ein Lächeln entlockt, ohne dass diese hätte verstehen können, was so lustig war. Sie erinnerte sich an das Gefühl, als sie von den
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