Bilder von dir: Roman (German Edition)
Mutter sicherlich unerträglich. Mona wusste nicht recht, was in Oneidas Kopf vor sich ging – vermutlich rührte ein Teil der Spannung von der Geschichte mit Arthur Rook, die Oneida extrem bizarr fand, Mona ihr aber im Moment nicht erklären konnte, weil ihr die Kraft dazu fehlte. Irgendwann würde sie es tun. Mona war nicht danach, mit Oneida über Arthur zu reden – und außerdem ging sie das auch gar nichts an. Es war zwar seltsam, aber wahr: Arthur war seit Langem etwas, das sie nicht teilen wollte.
Mona hatte großen Respekt vor ihrer Tochter. Sie gab freimütig zu, dass dies womöglich nicht die gesündeste Art der Kindererziehung war, aber genauso wenig dürfte die Einstellung, das eigene Kind sei der letzte Dreck, die objektivste Erziehungsmethode sein. Sie konnte Oneida nicht ansehen, ohne an das erste Mal zu denken, als sie sie im Arm hielt, und an die wahnsinnige panische Angst, die dabei in ihrer Brust aufstieg, ihr die Luft abschnürte und jegliches Denken ausschaltete. Sie erinnerte sich an den heftigen Drang, das Baby wegzuwerfen, es von sich loszubekommen, was so weit gegangen war, dass sie sich ausmalte, dieses sich windende Bündel wie einen Football durch die Luft zu wirbeln, sich dann umzudrehen und loszulaufen, bevor sie sehen konnte, ob irgendwer in der Nähe war, um den Pass aufzufangen. Aber ihre Arme waren blockiert, starr und zittrig. Ihr Körper weigerte sich, dieses Baby abzugeben, egal was ihr Gehirn wollte.
Doch richtige Liebe für Oneida entwickelte sie erst, als diese fünf oder sechs war – auf jeden Fall nach ihrer Los-Angeles-Reise –, als deutlich wurde, wie wahnsinnig intelligent und gleichermaßen bizarr Oneida war. Endlich hatte Mona ein begeistertes Publikum: jemand, der immer über ihre Scherze lachte und sie im Gegenzug zum Lachen brachte, der gern mit ihr herumhing, von ihr lernen wollte. Und das war eine Erleichterung: Denn so hartnäckig sie sich weigerte, das Baby zur Adoption freizugeben, konnte sie doch die Enttäuschung während Oneidas ersten Lebensjahren nicht leugnen. Diese Jahre waren ein endloser Mahlstrom aus Windeln, klebrigen Fingern, Schlaflosigkeit und der ständigen, einen in den Wahnsinn treibenden Frustration gewesen, mit einem winzigen Geschöpf kommunizieren zu wollen, das nicht einmal sprechen konnte. Ihre eigenen Eltern nahmen sich Oneidas früher Kindheit an und waren eine große Hilfe. Im Nachhinein wusste sie nicht, womit sie die Gunst der Menschen verdient hatte, deren Leben sie so radikal verändert hatte, ohne nur ein Mal darüber nachzudenken, was sie ihnen damit antat, aber sie stellte es nicht infrage. Jetzt waren beide tot, und sie vermisste sie. Und sie war völlig ausgelastet damit, das Haus zu führen, eine Erwachsene zu sein und das Enkelkind ihrer Eltern großzuziehen. Deren fantastisches, brillantes Enkelkind.
»Einen schönen Tag, O«, sagte sie. Oneida hatte vermutlich irgendwas als Antwort gebrummelt, aber es ging unter, weil hinter ihr die Tür zufiel.
Mona balancierte das Tablett mit Arthurs Frühstück auf der Hüfte, während sie die Türklinke niederdrückte – das Privileg einer abgeschlossenen Tür hatte er in dem Moment verloren, als er das Foto von ihrer Wand stahl. Es überraschte sie nicht, dass Harryhausen zwischen ihren Beinen durcheilte, sobald sie in das Zimmer trat. Mona hatte alles so belassen, wie sie es vorgefunden hatte: die Postkarten an der Wand, die Wäscheleine, die kleinen Stapel mit den Fotos und Abschnitten und den merkwürdig vertraut aussehenden pinkfarbenen Schuhkarton auf dem Couchtisch, die auf sie wirkten wie Teile eines in Aufführung befindlichen Stücks, Requisiten, die man lieber nicht neu ordnete. Sie hatte keine Ahnung, was Arthur sich dabei gedacht hatte, ein derartiges Fiasko anzurichten. Es war ein einziges Durcheinander, jawohl, aber Mona vermutete, dass sich dahinter ein Sinn verbarg – dass Arthur ihr Eigentum nach einer Melodie verschandelt und zugemüllt hatte, die nur er hören konnte, die aber definitiv existierte. Auf seltsame Weise fand sie es bezaubernd, dass dies in Verbindung mit seinem Nervenzusammenbruch stand. Denn für sie stand fest, dass es hier nur um eins gehen konnte: Amy hatte ihn offenbar verlassen oder ihn betrogen oder ihn auf andere Weise verschmäht. Eine andere Erklärung gab es nicht.
Sie klopfte an den Türrahmen seines Zimmers.
»Zimmerservice, Sir«, sagte sie mit forschem britischem Akzent. »Sind Sie salonfähig?«
Arthur war wach und saß
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