Bilder von dir: Roman (German Edition)
wuchs zwischen ihnen, und es war lang und laut genug, sodass Mona sich fragte, ob sie auf einem Ohr taub geworden war.
»Wie – wie hast – ich wusste nicht, dass du …«
»Ja.«
Amy hustete.
»Also«, sagte sie. »Scheiße, Mona.«
»Nicht doch. Ist schon okay.« Monas Gewissen flackerte auf. Endlich wurde Amys großer Traum Wirklichkeit, und damit hatten die Entscheidungen, die Mona in ihrem Leben getroffen hatte, nichts, aber wirklich gar nichts zu tun. »Entschuldige, Amy, ich werde sie nicht mitbringen. Sie ist offengestanden eine ziemliche Nervensäge.«
»Das wird sie wohl sein«, sagte Amy und lachte nervös. Mona konnte Amys zittriges Luftholen hören, fünftausend Kilometer und eine Million Jahre weit weg. »Okay«, sagte sie. »Ich meine, wenn du sie nicht – es wäre schon in Ordnung, wenn du sie mitbringen willst …«
»Ich bringe Fotos mit«, sagte Mona.
Was sie auch tat. Und auf die Harryhausen, dieses dumme Kätzchen, kotzte, als sie unschuldig in ihrem offenen Koffer auf dem Fußboden von Amys Apartment lagen. Das war einer der wenigen klaren Erinnerungen, die sie von diesem letzten mit Amy verbrachten Wochenende hatte, das, und wie sie im Dunkeln des Chinese Theater gesessen hatte, während Amys Träume vor ihr Gestalt annahmen. »The Big Kahuna«, wie Keanu – der im Grunde genommen Johnny Utah in einem Monsterfilm spielte – es nannte, bestand im Wesentlichen aus Licht und Klang. Es war ein lebendes, atmendes Wesen, ein Wesen, das Amy mit reiner Willenskraft und unter Zuhilfenahme von Muttern, Schrauben und Gummi erschaffen hatte. Mona glaubte, dass sogar das Kahuna Amy gut fand: Es war lang und breit (und konnte doch leicht durch schmale Spalten gleiten, um seine nichts ahnende Beute zu verschlingen), außerordentlich zielstrebig und unglaublich hartnäckig:
Es würde Keanu fressen, und sollte es selbst dabei draufgehen. Natürlich war dem Kahuna der Erfolg nicht vergönnt, es wurde mit einer kleinen tragbaren Nuklearwaffe vernichtet. Während die Zeitschaltuhr der Bombe auf null zurückzählte, schoss Amys Hand über die Armlehne, packte die von Mona und drückte sie, und als das Ungeheuer in einem Geysir aus roter Matsche explodierte, glänzten Tränen in Amys Augen. Das war das dritte – und letzte Mal –, dass Mona sie weinen sah.
Das restliche Wochenende war verschwommen. Mona wusste noch, dass sie auf dem Mulholland Drive herumgefahren waren, um sich die Stadt von oben anzusehen, Jagd auf alte Schallplatten gemacht und Falafel gegessen hatten (für Mona waren es die ersten). Sie gingen einkaufen in den coolen Läden auf dem Hollywood Boulevard, und Amy überredete Mona, sich ein Paar schwarze kniehohe Stiletto-Stiefel zu kaufen, die sie bis heute nicht getragen hatte. Die Fotos hatten sie sich kein einziges Mal angesehen. Mona war damals zu vorsichtig und von der ungewohnten Umgebung viel zu eingeschüchtert gewesen (denn seit dem Sommer in New Jersey war sie aus Ruby Falls nie länger als einen Tag rausgekommen), um sie zu erwähnen, genauso wenig wie Amy dies tat, die sich offensichtlich freute, ihre neue Stadt und ihr neues Leben herzuzeigen und kein Interesse an einer Begegnung mit ihrem alten hatte. Als sie am Flughafen auseinandergingen, versprachen sie sich, in Kontakt zu bleiben, obwohl Mona davon ausging, dass keine von ihnen das wollte oder damit rechnete, dass die andere das tat. Sie lebten parallele Leben, und das war gut so. Wichtig war, dass sie durch die Vergangenheit für immer miteinander verbunden blieben, ihre jeweilige Zukunft jedoch trennte sie. Sie war sogar ein wenig traurig, dass Amy sie eingeladen hatte, an diesem Ereignis teilzunehmen – dass es niemand anderen, niemand Neuen in ihrem Leben für diese Premiere gab. Nicht, dass es in Monas Leben jemand Neuen (abgesehen von Oneida) gegeben hätte. Aber als Mona im Flugzeug ihren Platz eingenommen hatte, war sie eher erleichtert als traurig: Amys Geschichte hatte ein glückliches Ende gefunden, und Mona glaubte, jetzt endlich an ihrer eigenen arbeiten zu können.
Aber was hatte sie in der vergangenen Dekade gemacht? Welche Geschichte hatte sie tatsächlich für sich geschrieben? Im Dunkeln, in ihrem Bett, bemühte Mona sich, die Fäden zu verbinden, die um das Seil ihres Lebens wirbelten, ein Seil, das genauso gut aus Oneidas dickem Haar hätte geflochten sein können. Der Tod ihrer Eltern: erst ihre Mutter, dann fünfzehn Monate später ihr Vater, beide an Herzversagen. Die Männer –
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