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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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aufrecht im Bett. Er trug eins der alten Button-down-Hemden ihres Vaters, das ihr die Wundversorgung seiner Brust erleichterte, und zeigte die eindrucksvollen Anfänge eines rötlichen Barts. Harryhausen sprang mit der Anmut eines fliegenden Schweins auf die Decke.
    »Womit sollen wir anfangen?« Mona hielt sein Tablett hoch. »Verbandswechsel oder Frühstück?«
    Arthur antwortete nicht. Er atmete ein und blinzelte und schürzte dann seine Lippen wieder über den Zähnen.
    »Lassen Sie sich in Versuchung führen.« Mona wackelte verführerisch mit dem Tablett. »Für Ihre erste Mahlzeit des Tages, die gewiss die wichtigste ist, habe ich eine köstliche Kombination aus Saft, Toast und Eiern zusammengestellt, frisch mit einem Klacks Butter in der Pfanne gerührt und dann langsam und sanft beschwatzt, die Form genussvoller luftiger Wölkchen ungeborener Küken anzunehmen.«
    Arthurs Stirn legte sich in Falten.
    »Ja gut, jetzt bin ich zu weit gegangen.« Sie stellte das Tablett auf der Kommode ab. »Lassen Sie uns erst Ihre Verbände wechseln. Wenn ich Ihnen erst mal alle Brusthaare rausgerissen habe, werden Sie sicher vergessen haben, dass ich das gesagt habe.«
    Arthur räusperte sich. »Sie reden wie … im Fernsehen«, krächzte er.
    Mona sah ihn aus schmalen Augen an. »Ist das gut oder schlecht?«
    Arthur brachte ein kleines Lächeln zustande und räusperte sich wieder. Er zuckte mit den Schultern.
    Mona setzte sich auf die Bettkante und schlug ein Bein unter. »Woran erinnern Sie sich?«, fragte Mona.
    Arthur wackelte unter der Decke mit seinen Zehen, direkt rechts neben Monas Hüfte. Harryhausen spannte sich zum Sprung an.
    »Sie heißen?«, forderte sie ihn auf.
    »Arthur Rook.« Seine Stimme war mangels Übung trocken. »Ich bin in Somerville, Massachusetts, aufgewachsen. Die Telefonnummer war 617-879-8446. Ich habe einen jüngeren Bruder namens David, der zwei Straßen entfernt von unserem Elternhaus wohnt, meine Eltern sind David Senior und Nance, und ich – ich zog nach Los Angeles. Dann kam ich hierher. Mit dem Flugzeug. Und einem Zug. Und dann einem Taxi.«
    »Wie heißt Ihre Katze?«
    »Harry.« Er schluckte. Das Grinsen war verschwunden, und das verriet Mona, dass er sich an vieles erinnerte, was er ihr nicht erzählte. Er strich sich mit der Hand über seine Wangen. »Ich bin ganz stoppelig . Welchen Tag haben wir?«
    »Montag. Erinnern Sie sich noch, wer ich bin? Was passierte am Freitag?«
    »Ja.« Er hustete. »Sie heißen Mona. Jones. Das hier ist Ihr Gästehaus. Ich habe mit einer Tierärztin, einem Werklehrer, einer alten Frau und Ihrer Tochter zusammen zu Abend gegessen. Und dann sah ich … rot. Steine. Auf einem Foto … rahmen – oh, hab ich den zerbrochen?«
    Sie nickte. Im Krankenhaus hatte man ihr das, was von der Fotografie übrig war, mitgegeben, nachdem sie sicher waren, alle Glassplitter aus Arthurs Brust entfernt zu haben. Die Fotografie von William Fitchburg Jones und Daniel Darby, die, seit sie denken konnte, im Treppenhaus gehangen hatte, war noch immer ganz, aber mit Arthurs Blut überzogen. Eigentlich fand sie, dass sie cool aussah – jeder andere hätte es womöglich krass und makaber gefunden, aber Mona wusste es zu schätzen, dass Arthur es geschafft hatte, mit künstlerischer Sensibilität zu bluten: Daniel und William, die auf diesen verdreht aussehenden viktorianischen Stühlen saßen, waren von einer satten rotbraunen Bahn wie von verlaufender Tinte überzogen. Der rötliche Strich verlieh der Fotografie Tiefe, und sie sah Dinge, die sie noch nie zuvor gesehen hatte: die Kerbe in Williams Ohr, die zur Familiengeschichte von seiner Arbeit als Boxer passte, an die sie nie hatte glauben wollen. Daniel sah so gut aus, so jung – er war auf diesem Bild vermutlich jünger als Mona jetzt war. Arthurs Blut verlieh ihnen Leben. Sie hatte es bereits neu gerahmt.
    »Es tut mir so leid«, sagte er. »Ich – ich hatte nicht das Recht, Fotos zu zerstören. Familie.«
    »Das verzeihe ich Ihnen«, sagte sie. Arthurs Augen zuckten hin und her. Und weil Mona vor Neugier fast platzte und die relative Klarheit, mit der Arthur ihr antwortete, sie ermutigte, befand sie, dass heute der Tag war. Es machte keinen Sinn zu warten, bis sein Gesundheitszustand sich gebessert hatte, keinen Sinn, darauf zu warten, bis alles verheilt war, um ihn auf Amy anzusprechen. Für Mona war schon viel zu viel Zeit vergangen, sie konnte nicht mehr so tun, als hätte sie noch welche

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