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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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Rede in der Jakobiner-Versammlung, ebenso in Paris. Die Jakobiner der Hauptstadt lachten über seinen Akzent, denn er behielt den schwäbischen Dialekt in der französischen Sprache, selbst als er ihrer ganz mächtig war, bei; hatten aber eine Freude an seiner Kraft und Begeisterung, und nahmen ihn als Mitglied auf. Er war ganz von der Revolution ergriffen, und oft setzte ich ihn zur Rede, daß er seinen medizinischen Studien nicht mehr nachgehe. Es ging ihm die große Sache der Menschheit über alles. Aber eben deswegen konnte er der zum blinden Fanatismus gewordenen Politik der Jakobiner nicht mehr beipflichten, er wurde ihr eifrigster Widersacher. In den Tagen, wo der König sich in höchster Lebensgefahr befand, ging Kerner in seiner National-Uniform in die Tuilerien mit festem Vorsatz, den König zu beschützen. Mehrere Tage ließ er den König nicht aus den Augen, und hätte alles um sein Leben gewagt.
    Der damalige Maire von Straßburg,
Dieterich,
den Kerner sehr achtete, ließ einen Anschlag gegen die Jakobiner drucken, aber kein Mensch wagte in der völlig aufgestandenen wütenden Hauptstadt diese Zettel anzuschlagen. Kerner machte Pappe, nahm eine große Schüssel mit derselben in eine Hand, in die andere die Anschläge, in den Mund aber einen Säbel, sich sogleich damit zu verteidigen, und heftete, rings vom Gesindel verfolgt, zum Schauer seiner Freunde, die Zettel an alle ausgezeichneten Straßenecken an.
    Delaveau, ein gefährlicher Jakobiner, begegnete ihm einst und sagte zu ihm: ›die Guillotine ist permanent.‹ Überall war er als Abtrünniger der Jakobiner bekannt, allein er hatte durchaus keine Furcht und sagte mir oft, er glaube, daß er bald werde guillotiniert werden. Einst ging ich mit ihm nahe bei der National-Versammlung au quai des feuillants spazieren, wo sich das Volk immer versammelt hielt; sie schrieen: Sehet den kleinen Aristokraten, werft ihn in das nächste Bassin! Ich hatte erstaunlich bange, ihn aber rührte das nicht.
    Der Maire von Straßburg ward ins Gefängnis geschleppt. Kerner wollte ihn besuchen. Man stellte ihm vor, warum er zu einem Verräter wolle? er aber sagte kühn: der Verräter ist mein Freund. Dies frappierte die Umstehenden und er wurde zu ihm gelassen.
    Als einst ein Deputierter, dessen Name mir entfallen ist, sich des bekannten Generals Lafayette annahm, und sich unter dem Volk blicken ließ, so sprang alles wütend herbei, und wollte ihn töten, aber Kerner drang noch wütender in den nächsten Volkshaufen ein, ergriff den Deputierten und rettete ihn in eine Wachstube mit der größten Gefahr seines eigenen Lebens. Dieser Deputierte wurde in der Folge sein eifriger Freund.
    Am 9. August abends ging Kerner in Uniform in die Tuilerien aus Anhänglichkeit an den König, und wachte die Nacht dort. Man weiß, wie es damals ergangen; Kerner wäre mit aller Gewißheit umgekommen, hätte ihn nicht glücklicherweise ein alter Paß von den Jakobinern in Straßburg, der sich noch zufällig in seiner Tasche befand, gerettet. Er war genötigt, sich vom 10. zum 11. August in einer Wachtstube, unter einer Pritsche liegend, die von einer Menge Sansculottes umgeben war, mit Anhaltung jedes stärkeren Atemzuges, versteckt zu halten. Seine Freunde suchten ihn auf, seine Hausleute weinten um ihn und sagten: Kerner ist nun tot, denn alle Männer, die noch leben, sind gekommen, er allein nicht. Am 11. früh, als die Wachtstube von den Sansculottes sich entleerte, ging Kerner zu einem Freunde, nahe an dem Schlosse, unterwegs aber wurde er ergriffen, und nur der erwähnte Paß war seine Rettung.
    Nicht allein das damalige Leben der politischen Welt, auch andere Bilder erschienen seiner lebendigen Phantasie im herrlichsten Lichte. In einem lutherischen Lande geboren und erzogen, erschien ihm ein Frauenkloster als ein besonders anziehendes Rätsel, als ein höchst romantisches Bild. Wir gingen einmal zusammen, Herr Rheinwald, sein Freund, war mit uns, auf dem Montmartre spazieren. Auf diesem Berge war ein schönes Fräuleinkloster, die Damen waren noch beisammen, jedoch durfte man hinein. Kerner hatte ein großes Verlangen, wenigstens eine Nonne zu sehen. Er stellte sich die reizendsten Frauen vor, die nur beten und singen und in Heiligkeit leben. Wir kamen zum Sprachgitter; Kerner klopfte an, und gerade trat eine schöne junge Dame ans Fenster und frug, was wir wollten? Kerner, außer sich, trat vor und sagte: Madame, je suis ravi de vous voir. Die Dame, ganz betroffen, zog eilig den

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