Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
Freiheitslehren, wie sie damals die französischen Zeitungen gaben, besonders Angriffe gegen die damals in Stuttgart anwesenden Prinzen. Diese eilten zum Herzog und beschwerten sich bitter. Alle Ausgänge wurden augenblicklich geschlossen; vergeblich, es zeigte sich keine Spur von der Maske. Polizeidiener durchsuchten die Stadt, selbst die Häuser nach ihr – sie blieb verschwunden. Tags darauf ward bei allen Handwerkern nachgeforscht, welche etwa bei der Verfertigung der Maske geholfen; nichts kam ans Licht. –
Danneker
und
Koch
2 , beide in der Akademie, waren die Verfertiger, und rühmten sich dessen in spätern Jahren noch mit Entzücken. Unter den Verschworenen, treu und vorsichtig, fand sich kein Verräter.« –
Reinhold
schrieb von ihm:
»Die schönste Epoche seines Lebens war die seiner Begeisterung für Ideen, welche eine Wiedergeburt der Menschheit zu begründen schienen, und die sich vielleicht in keinem Gemüte reiner ausgesprochen hat. Diese Begeisterung war überhaupt der hervorragende Zug seines Charakters, die sich in so vielen Handlungen der Aufopferung und Selbstverleugnung aussprach, welche sein Leben vorzüglich in jener Zeit auszeichneten. Die kindliche Hingebung, die all sein Tun begleitete, gewann ihm alle Herzen. Gegen die Revolution verhielt er sich wie
Saïde
gegen Mahomed, er gehörte ihr ganz an, so lange er sie für tugendhaft ansah, von ihren Ausartungen hat sich keiner tapferer losgerissen, und er war mehr als einmal nahe dabei, ihr Opfer zu werden.
So wie in jedem Menschen sich ein Teil der Tendenzen seiner Zeit darstellt, so hat sich in ihm ihr edelstes Streben geoffenbart. Glühende Liebe für das Schöne umgab seine Jugend mit dem strahlendsten Glanze, glühender Haß für das Schlechte adelte sein männliches Alter, aber trug zugleich dazu bei, die Keime seines Lebens zu zerstören. Die Natur hatte ihm ausgezeichnet schöne Gesichtszüge verliehen. In seinen Jünglingsjahren glaubten viele in seinen Gesichtszügen die eines Christuskopfes zu erkennen, wie die veredelnde Tradition ihn dargestellt, später wurde ihm eine große Ähnlichkeit mit
Bonaparte
beigelegt, ehe die Züge des Letztern sich vergröbert hatten.«
Schon von der Akademie aus hatte er im Jahre 1790 Straßburg heimlicherweise mehrmals besucht, namentlich in Begleitung seines Freundes
Marschall,
auch eines Zöglings der Akademie, der nachher Staatsminister in Diensten des Herzogs von Nassau wurde, und wie Pfaff erzählt, auch damals bei jener demokratischen Maskenszene figuriert hatte.
Als er nun im Jahre 1791 die Akademie verließ, drang er in seinen Vater, ihn auf die Universität
Straßburg
zu lassen, die dazumal, besonders für Medizin und Chirurgie, in großem Rufe stand; der Vater willigte nicht darein, weil er die freien Gesinnungen seines Sohnes kannte, die in der Nähe des damals ausgebrochenen Vulkanes der französischen Revolution, wie vorauszusehen war, nur mehr Nahrung erhalten mußten. Gegen den väterlichen Willen aber ging sein Zug dahin. Erst als von den Professoren daselbst, namentlich von
Sömmering,
unterzeichnet vom Maire
Dieterich,
Zeugnisse einliefen, daß er seinen medizinischen Studien mit Fleiß obliege, stellte sich der Vater zufriedener, und erhielt er auch eine herzogliche Unterstützung. Zu Straßburg lernte er Adam Lux, den nachherigen Verteidiger der Charlotte
Corday,
kennen, den er später in Paris wieder traf. Mit ihm besuchte er die revolutionären Clubs, und war einer der Ersten, die damals hier für eine Republik predigten; die Folge war, daß er die herzogliche Unterstützung und alle Unterstützung vom Vater verlor. Von nun an wurde er in den Strudel der französischen Politik gerissen.
Er ging fast ohne alle Barschaft zu Fuß nach Paris, war zuerst für eine Republik, dann Konstitutioneller und Girondist, und kam durch seine treue Anhänglichkeit an den konstitutionellen König am 10. August 1792 in die augenscheinlichste Lebensgefahr.
Eine geistreiche Landsmännin, eine Jugendfreundin Schillers, die sich der Kunst wegen zu Paris aufhielt, Fräulein Ludovike
Reichenbach,
nachher verehelichte
Simanowitz,
kam damals öfters in Paris mit ihm zusammen, und ich erhielt von ihrer Feder über sein damaliges Leben folgende Notiz:
»Georg
Kerner
kam von Straßburg mit Empfehlungen von den dortigen Jakobinern zu Fuß nach Paris. Wohl keinen Gulden trug er in der Tasche, und lebte unterwegs wie auch eine Zeit lang in Paris deswegen nur immer von Milch. In Chalons hielt er eine
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