Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
Vater nicht bei Tische war, mit besonderem Appetit aßen, verdorben. Die größte Sorge meiner Mutter war nun, diesen Vorfall meinem Vater zu verbergen, um mir eine Strafe zu ersparen; aber es konnte nicht geschehen, die Frau Bürgermeisterin verriet es. Meine Strafe war, daß ich einige Stunden in Arrest in einen ziemlich engen Raum mußte, welchen eine Türe mit einer von ihr ungefähr eine Elle abstehenden andern Türe bildete. In meinen größten Schmerzen erblickte ich in diesem Dunkel auf einmal eine mir ganz wunderbare Erscheinung, die ich nie gesehen hatte. Auf der vor mir stehenden Türe sah ich mit Verwundern in kleiner Figur die Fenster und Vorhänge des Zimmers, die Blumenstöcke, die auf den Simsen standen und die Menschen, die im Zimmer hin und her gingen; aber alles verkehrt. Meine Einsperrung ward mir nun zu großer Unterhaltung; ich fühlte mehr Freude als Schmerz, und wünschte nimmer aus Langweile heraus, sondern nur, um bald untersuchen zu können, wie und was das sei.
Nach meiner Befreiung, wo der Vater wieder liebreicher war, mußte auch er sich hineinsperren lassen, um diese Erscheinung zu sehen; auch die Mutter und die Schwestern.
Das Ganze war nichts, als daß ein Löchlein, ich weiß nicht zu welchem Zwecke, durch die erste Türe gebohrt war, und die zweite Türe zufällig in der Entfernung stand, daß gerade das Licht
so
auf sie einfallen konnte, daß sich hier die Gegenstände des innern Zimmers als in einer Camera obscura abbildeten.
Von dieser Zeit an gab ich mich immer mit den optischen Erscheinungen einer Camera obscura ab. In allen Wohnungen, wo ich längere Zeit mich aufhielt, machte ich in den Zimmern eine Camera obscura zur Betrachtung der Vorübergehenden und der Gegend; und in Tübingen im Jahr 1805, als ich bei
Kielmayer
die Vorlesungen über Chemie hörte, gab ich mir alle Mühe, vermittelst Hornsilber die aufs Papier gefallenen Lichtbilder zu fixieren, wie in späterer Zeit
Daguerre
durch das
Jodin
mit glücklicherem Erfolg tat.
Die Frau Bürgermeisterin dachte ich ihres Verrates wegen doch auch mit etwas zu beschweren, wobei ich zugleich auch auf die Wehen, die sie mir verursacht, einen Genuß hätte. Nach ein paar Tagen ging ich morgens zu ihr und sagte: da sie so gute Zwiebelkuchen backe, so habe meine Mutter geäußert, mir werde sie es wohl zu lieb tun, wenn ich ihr sagen würde, daß sie so sehr wünsche, sie möchte meinem Vater ein paar Zwiebelkuchen backen; aber sie solle ja nichts davon sagen, daß die Mutter das gewünscht habe; denn sie wisse ja, daß er oft recht zornig werden könne. Die Bürgermeisterin, und noch mehr der Herr Bürgermeister, waren sehr erfreut die Ehre zu haben, dem Herrn Regierungsrat und Oberamtmann Kuchen backen zu dürfen; und am andern Morgen erschienen auch wirklich zwei, durch die ganzen Arkaden duftende vortreffliche Zwiebelkuchen, die mein Vater, um nicht ungefällig zu sein, annehmen mußte, und von welchen auch ich mein gutes Stück erhielt. Aber die Frau Bürgermeisterin konnte meine fingierte Botschaft nur ein paar Tage lang auf dem Herzen behalten, sie erzählte dem Vater, der sie etwas mit der Zwiebelsendung aufzog, wie sie nicht gewagt hätte, das zu tun, wäre sie nicht dazu aufgefordert worden.
Ich wurde von ihm ins Verhör genommen und bekannte alles, meinem Vater aber mochten die Zwiebelkuchen zu gut geschmeckt haben, ich erhielt bloß den Titel eines infamen Buben.
Des Vaters Humor
Obgleich mein Vater im Durchschnitt und besonders wo es sein Amt galt, einen strengen und ernsthaften Charakter hatte, so war er doch wieder ein großer Freund vom Scherze, besonders mit Frauen, in deren Gesellschaft er immer am aufgeheitertsten war.
In Ludwigsburg lebte ein Hauptmann, namens
Seyffertiz,
der eine Frau von schon ziemlich vorgeschrittenem Alter und eine ganze Sammlung von alten Jungfern, Schwägerinnen und Basen bei sich hatte. Mit diesen wurde oftmals Scherz getrieben, mein Vater schickte ihnen komische Verse zu, lud sie zum Tarokspiele ein, führte sie in seinem Chaischen mit dem alten Rappen in seinen Garten, und einsmals als er von einem Amtsorte hereinritt und die alte Frau Hauptmännin ihm vor dem Tore begegnete, lud er sie ein sich zu ihm auf den Gaul zu setzen; nur einige Schritte solle sie es versuchen, bis zum Tore. Sie ließ es sich gefallen, aber mit den Worten: »Aber das sag ich Ihm, am Tore muß Er mich absetzen.« (Sie pflegten sich immer scherzhaft per Er und Sie anzusprechen.) »Das glaub Sie«,
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