Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
dem Pfarrer nun Vorwürfe macht, daß er den Grafen nicht zurückgehalten, daß er vornehme Leute nicht zu behandeln wisse, keine Bildung habe und nicht französisch sprechen könne.
Im dritten Akte stürzt der Pfarrer atemlos herein; es fehlt ihm der Kelch, den er neben den Grafen auf den Tisch gestellt, auch seine Sammethosen und seidenen Strümpfe. Verdacht auf den Grafen, Verteidigung desselben durch die Pfarrerin. Den Pfarrer bestärken die Erzählungen des Dienstmädchens, daß der Herr Graf eilends durch den Ort gesprungen, als komme ihm jemand auf der Ferse nach, daß ihn vor dem Orte kein Wagen, wie er vorgab, habe aufnehmen können, es sei keiner da bemerkt worden, er habe seinen Weg immer springend weiter genommen. Furchtbare Unruhe und Jammer des Pfarrers, Klage, daß er nun abgesetzt werde, weil ihm der Kelch abhanden gekommen. Vorwürfe gegen die Pfarrerin. Noch immer fester Glaube derselben an den schönen Grafen. Die Ausmalung des Pfarrers von seiner Schande, seinem Unglück; Vorstellungen der Pfarrerin dagegen nahmen das meiste dieses Aktes ein.
Im vierten Akte erscheint der benachbarte Pfarrer mit seiner Frau und erzählt, was ihm am selben Tage begegnet, es war das gleiche Spiel mit der Uhr! Der erste Pfarrer erstaunt, aber ehe er sich weiter erklärt, kommt ein zweiter benachbarter Pfarrer mit seiner Frau und erzählt dasselbe und endlich ein vierter, der das Rätsel auflöst und erklärt: daß sie alle betrogen seien, der französische Graf sei ein Pfälzer Jude, er sitze bereits in der Oberamtsstadt im Gefängnisse, und man habe den Kirchenkelch von hier und des Pfarrers Sammethosen und seidene Strümpfe bei ihm gefunden, er auch alles eingestanden. Ohnmacht der ersten Pfarrerin, Geschrei und Geschwätz der drei andern, wie sie diesen Kerl sogleich für einen Juden erkannt, wie aber nur ihre Männer so verblendet hätten sein können. Verteidigung der Männer, ihre Anschuldigungen gegen die Frauen, Verzweiflung des ersten Pfarrers wegen des Kelches, man werde ihn, weil er in der Tasche eines Juden gesteckt, nicht mehr zum Gottesdienste gebrauchen können. Meinung des andern Pfarrers über diesen bedenklichen Casus. Vorschlag, den Kelch umschmelzen zu lassen. Beratung, auf wessen Kosten.
Versicherung des zweiten Pfarrers, daß er das zurückzuerhaltende Geld zu wohltätigen Zwecken verwenden wolle. Der Akt endigt mit den Worten des dritten Pfarrers:
»Und ich, ich werde ex officio
Ein Dankgebet vor der Gemeinde lesen
Und einen Gulden oder dreißig Kreuzer
Occulte auf den Opferteller legen.«
Im fünften Akte stehen die Pfarrer alle mit dem angeblichen französischen Grafen im Gerichtssaale. Ein jeder erzählt in besonderer charakteristischer Weise die Geschichte des Betrugs. Der Jude verbirgt sich nicht, er leugnet nichts. Die Sammethosen und seidenen Strümpfe behauptet er von der Frau des Pfarrers als Geschenk erhalten zu haben. Erstaunen der anderen Pfarrer und Bedauern gegen ihren Herrn Kollegen; die Hosen seien jedenfalls von ihm nicht mehr beim Gottesdienste zu tragen. Abermaliges Bedenken über den Kelch, worüber einer der Geistlichen in einer sehr orthodoxen langen Rede sich ausläßt. Witze des Juden. Sie fallen alle über ihn als einen verstockten Sünder her. Versuche zu seiner Bekehrung. Sie fordern mit Leidenschaft, der Jude solle gepeitscht und dann gehenkt werden. Der Richter wirft ihnen Erbarmungslosigkeit, Härte vor und weist sie durch Bibelstellen zur Ordnung. Sie protestieren und fordern urplötzliche Durchpeitschung des Juden. Während ihres Geschreies ist der Jude aus dem Gerichtssaale entflohen. Erstaunen der Pfarrer, der Richter gibt ihnen den Trost, wenn der Jude gefangen sei, werde er gehenkt werden. Der Vorhang fällt.
Dies war der ungefähre Inhalt einer losen Posse, die sich aber bei vielem Humor, der in die Reden der verschiedenen Personen gelegt war, doch gut las und von mir, als Student, nach Tübingen gebracht, unter meinen Freunden oft Heiterkeit erzeugte. Das Manuskript ging mir durch Hinleihen verloren, auch lag mir an seiner Wiedergewinnung nicht viel.
Die Originale in Ludwigsburg
Ein Werklein, dessen Verlust ich mehr bedaure, und das in jener Zeit auch während des Nähens und Musterkartenmachens ausgebrütet wurde, war in gereimten Versen, ein Gemälde von mehrern Originalen, die damals die weiten Straßen Ludwigsburgs durchwandelten.
Zu jener Zeit sah man in Ludwigsburg immer Vormittags gegen 10 Uhr einen ungeheuer dicken
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