Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
könnte ich doch ungestört, und ohne dabei nähen zu müssen, in ein Stübchen eingesperrt, und wenn auch an eine Kette gelegt, lesen und dichten, und Lieberes wußte ich nicht. So konnte es nicht fehlen, daß ich auch ohne Furcht und in freudiger Erwartung, ich werde dadurch mit jener mir so schön gedachten Lage auf der Feste Asperg belohnt werden, sehr verpönte politische Gedichte machte, jugendliches Strohfeuer, das zum Glück für mich nicht zündete. Sie hatten keinen poetischen Wert und wurden alle von mir selbst zerstört. Sie waren, ich muß es sagen, ganz erbärmlich. Einige Gedichte aber, weder satirischen noch politischen Inhalts, die ich noch aus jener Zeit vorfand, teile ich hier mit. Man wird in ihnen noch Anklänge an
Klopstocks, Höltys, Goethes
Gedichte finden, mit denen ich mich während meiner Näharbeit oft heimlich beschäftigte, Anklänge, die aber verschwanden, als der mir eigentümliche Ton später in mir erwachte, und jene Klänge auch durch das deutsche Volkslied, das ich erst später kennen lernte, in mir verdrängt wurden.
Gedichte aus dem Knabenalter
Auf den Tod eines Kindes
Was ihr habt gewieget und geküsset,
Glaubet, war kein Kind, es war ein Engel!
Aber Engel sind nicht dieser Erde –
Sind dem Himmel.
Ach! nur auf zwei kleine Augenblicke
Steigen sie zur Erde still hernieder
In des Menschen Wohnung, sie zu machen
Gleich dem Himmel.
Blickt dem Engel nach mit stillen Sehnen,
In der Heimat ist er angekommen,
Die mit Tränen einstens euch zu liebe
Er verlassen.
Der Magnet
Sieh' wie das Eisen
Fest angezogen
Von dem Magnet, der
Über ihm schwebet,
Emporstrebt!
Es zieht sich,
Es dehnt sich,
Verschweben möchte
Mit ihm es
In Eins.
So schwebt auch über
Allen den Welten
Ein Magnet, der
Heißet: die Liebe.
Und es hebt sich
Voll Sehnsucht
Meine Seele
Aus ihrer Hülle,
Möchte sie reißen,
Verschweben möchte
Mit ihr sie
In Eins.
In der Krankheit
Sinke, schwacher Wanderstab!
Welke, welke, Leib! ich will dich nimmer!
Sterne! streuet euren bleichen Schimmer
Auf des Frühverstorbenen Grab.
Mutter! was! ein Trauerflor?
Kränz' mit Rosen deine grauen Haare,
Die da sterben in dem Lenz der Jahre,
Schweben ja am reinesten empor.
Gottes Odem
Was mir so freundich
Schwebt um den Busen!
Ist es des Westes
Stilles Gesäusel?
Sind es der Sonne
Scheidende Strahlen?
Oder was ist es?
Gottes, nur Gottes
Heiliger Odem
Ist es, er ist es,
Der so mit Liebe
Küßt seine Kinder.
Heiliger Odem!
Mir auch zum Busen!
Heiliger Odem!
Küssest ja dort auch
Liebend das Würmlein,
Daß es sich wonnig
Wälzt in dem Staube.
Drum weh', o heiliger,
Mir auch zum Busen,
Bringe dem heißen
Herzen des Jünglings
Kühlung und Frieden!
Auf den Tod einer Nonne
Ha! verschwunden ist die Blume,
Die mit Purpur übermalt,
Einsam in dem Heiligtume
Jenes stillen Bergs gestrahlt.
Über dunklen Felsengründen
Blühte sie dem Himmel nah,
Wo, zum Strauße sie zu binden,
Niemals sie ein Jüngling sah.
Doch in ihrem stillen Glanze
Hat ein Engel sie erblickt
Und sie lächelnd zu dem Kranze
Seines Gottes abgepflückt.
Die Lerche
Ringsum malet die Sonne
Rot und golden den Himmel,
Weste lispeln und spielen
Mit dem Kranze der Schnitterin.
In dem Golde des Morgens
Wiegt sich wonnig die Lerche,
Blaue Wölkchen umschweben
Und verhüllen die Sängerin.
Lüfte! singt sie, o tragt mich,
An den Busen des Vaters!
Strahlen! ihr kommt von oben,
Sagt! wo weilet der Liebende?
Sagt's! auf daß ich ihn liebend
Mit den Flügeln umfange!
Aufwärts! Wolken! ihr Lüfte!
Aufwärts! auf zu dem Liebenden!
Die Zwillingssterne
Blicket in des Äthers blaue Fernen,
Seht, aus tausend Myriaden Sternen
Lächeln einzig zwei, die sich zusammen
Ewig voller Lieb und Lust umflammen.
Als die Teufel in verruchten Stunden
Ihrem Heiland an das Kreuz gebunden,
Und er menschlich ausrief im Erblassen:
Vater! Vater! hast du mich verlassen?
Blicket Vater von dem Glanz des Thrones,
Sieht die Wunden des geliebten Sohnes,
Wie er stirbt den Tod, den schmerzensvollen,
Tränen da dem Gottesaug' entrollen,
Und es blitzen zwei in üpp'ger Fülle
Durch die Himmel, halten mitten stille
Und verwandeln sich zu lichten Sonnen,
Christen leben drauf in ew'gen Wonnen.
Des Gärtners Lied
Der Schäfer singt dort unten
So manches teure Lied,
Und froher seine Herde
Auf grüner Wiese zieht.
Wohlauf! und angestimmt
Ein Liedchen,
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