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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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gewisse Ausdrücke volkstümlich wurden. Sie wurde auch ohne mein Wissen und mit Beifügung eines Namens, den mein Original nicht enthielt, schon mehrmals gedruckt.
    Diese Mystifikation bestand in einem angeblichen Schreiben eines verstorbenen sehr ehrenwerten Mannes, der einen absonderlichen Stil hatte, den ich aber in meiner Dichtung so viel als möglich zu überbieten suchte. Ich hielt es für Pflicht, mich als den Verfasser dieses Schreibens zu bekennen, da das Publikum noch immer der Meinung ist, jener Mann habe dasselbe wirklich verfaßt, und ich erkläre hiemit öffentlich, daß er nicht den mindesten Anteil an demselben hat, und daß dieses einzig, ein jugendlicher Mutwille von mir war. Es hieß:
    »Kammerrat und
Keller
X zu H., de- und wehmütigst Bericht erstattend von einem auf ihn eigenst angesehen gewesenen Tod- und Mordanschlag, als wie er nämlich von zwei oder zwölf verkappten und vermummten Unholden, das sogenannte Schweiß- vulgo Schwitzgäßlein herzoglicher Geschäfte halber nächtlich passierend, mit einem Stab, vulgo Pfahlstumpen, oder sonstigem vermummten Mordgewehr zu Boden gedrückt und wie ihm da der Amtsgemäß seidene Haar- oder Zopfbeutel mit einem vergifteten Messer meuchelmörderischer Weise vom Kopfe getrennt worden sei.
    Euer herzoglichen Durchlaucht
    habe ich Untertänigkeitswegen de- und wehmütigst, von einer mich eigenst anbelangenden, fast höchst traurig, schaurig ausgefallenen Fatalitas, eiligst und kürzlichst benachrichtigen sollen.
    Gestern als am Tage Oculi (Augensonntage) passierte ich herzoglicher Geschäfte halber an nichts denkend, nächtlicher Weile das dasige Schweiß- vulgo Schwitzgäßlein, als plötzlich und pfeilschnell zwei oder zwölf vermummte und verkappte Unholden mit Stäben, vulgo Pfahlstumpen, oder sonstigen Mordgewehren aus den Schweinsbeerenstängeln der dasigen Wege (der, inclusive gesagt, auch einer Reparation bedürfte, da er schon Anno 1789 in dem damaligen kalten Winter von der eingestürzten steinernen Anno 1780 allhier verfertigten Weingartenmauer sehr ruiniert wurde) spitzbübisch, wie auch diebischer und höchst meuchelmörderischer Weise, eilends von hinten her auf mich losstürzend, mich Respekts-, Moralitäts- und Religionswidrig auf den Rücken puffend zu Boden prosternierend duckten, mit ihren vier schwer bestiefelten Füßen, wie auf eine Schweins- oder Rindsblase, die man verpuffen will, aus aller Macht, Leibes- und Lebenskraft bleischwer auf mich hüpften und mir meinen Amtsgemäß seidenen Haar- oder Zopfbeutel samt Zubehör, mit einer Schere, Sense, Sichel, Beil, Rasiermesser, oder sonst scharf geschliffenem und was ich bang ahne, vielleicht gar vergiftetem Gewaltsinstrumente vom Kopfe trennten, mich so dann schachmatt und maustot auf obgenanntem einer Reparation bedürfenden Wege, in einer von Kot besudelten Fahrgleise liegen lassend, eiligst von dannen stiefelten. Um nicht Moralitäts- und Religionswidrigst Menschenblut vergießend erfunden zu werden und bemeldte Unholden nicht vollends zu überstarrkopfen, verhielt ich mich bei dieser Fatalitas ganz leidend und passiv und gebrauchte von dannenhero auch nicht meinen schwer mit Messing beschlagenen Gehstab, den die untertänigst obbesagte Unholden, oder Gau-und Meuchelmörder, mir nebst meinem mit Silber beschlagenen türkischen Meerschaumrauchtabaks-Pfeifenkopfe frevelnd aus den Händen windend entrissen und mir nachher mit ihm, als meinem eigenen Gehstab, noch zwei Backenstreiche versetzten. Wer aber nun jene, obgenannte zügel- und bügellose Unholden in Person sämtlich seien, konnte mir, aller Verhörungen unerachtet nicht zu Gehör gelangen.
    Euer usw. von dieser, die ganze Welt empörenden, erschütternden und erbitternden, wie auch höchst revolutionär-französisch schmeckenden Fatalitas und Begebenheit, eine alleruntertänigste Anzeige zu machen, hielt ich für meine Pflicht und untertänigste Schuldigkeit und ersterbe und verharre in tiefster Submission
    Euer usw. treu gehorsamst verpflichteter, in Kreuz-und Rückenschmerzen sich befindender, wie auch weh- und demütiger X zu H., am 1. April 1800.«
    Auch an politischen Gedichten fehlte es nicht. Es war dazumal die Zeit allgemeiner Bedrückung und Erniedrigung, die hier keiner weitern Erwähnung bedarf.
    Die Lage, in der ich mich in dieser Fabrik befand, hatte so wenig Reiz für mich, daß ich dachte: ein auf der Feste
Asperg
wegen Politik gefangen Sitzender sei mir gegenüber ein beneidenswerter Mensch. Da, dachte ich,

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