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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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sein ältester
     Sohn Anthony mit der Produktion von Badewannen und allen möglichen sanitären Einrichtungen erfolgreich fortfahren würde, zumal
     immer mehr Privathaushalte und Hotels damit ausgestattet wurden – hatte seinem Jüngeren, Edward, die Berufswahl freigestellt.
     Und da der Vater davon träumte, die Familie mit intellektuelleren Berufen zu schmücken und so gesellschaftlich aufzuwerten,
     hatte Edward Geschichte und Kunstgeschichte studiert und bald eine nicht besonders gut bezahlte, aber angenehme Stelle in
     einem Kunstinstitut in London angetreten, die ihm viele Freiheiten ließ.
    Nachdem Emily ihn verlassen hatte, im Übrigen ohne ihm groß die Gründe dafür zu nennen, ging er zunächst eine Weile nach Paris
     und Rom, aber bei aller Kunst – seine innere Ruhewar nicht zurückgekehrt. Und so war er zurück nach London gereist und hatte sich für eine Weile auf das kleine Schloss und
     die Ländereien zurückgezogen, die sein Vater einem verarmten Lord im Südwesten Englands abgekauft hatte. Als der Schöngeist
     in der Familie erhielt er den Auftrag, die notwendigen Umbauten zu planen, und dabei entdeckte er seine Liebe zur Gartenarchitektur
     und zur harmlosen Schönheit der Pflanzen. Er legte neue Gärten an, vertiefte sich in die Botanik, war stolz auf seinen Versuchsgarten,
     in dem er ausprobierte, welche Pflanzen aus fernen Gegenden auch in englischer Erde Wurzeln schlugen und auf Dauer gediehen,
     und fand in dieser neuen Tätigkeit eine andere Art des Glücks, als jenes mit Emily gewesen war.
    Es wurde ihm klar, dass er eigentlich lieber Biologe, auf jeden Fall Naturwissenschaftler geworden wäre, obwohl er die Kunst
     liebte und ein hervorragender Musikkenner war. Ins Engadin war er gekommen, um tatsächlich die Alpenflora zu studieren und
     einzelne Pflanzen nach England mitzunehmen, obwohl sein Freund James über eine solche Form der Leidenschaft den Kopf schüttelte.
     James hatte nichts dagegen, wenn alte Männer mit ihren Gärten glücklich wurden – schon die alten Römer hatten schließlich
     den Vorschlag gemacht, auf diese Weise das Glück zu finden   –, aber Edward war, wie er dem Freund bei jeder Gelegenheit erklärte, jung, sogar ein Jahr jünger als er, und gehörte in die
     Hände einer Frau.
    »Sag nicht, du hättest keine Fantasien!«, sagte er oft, »das gibt es gar nicht. Von mir aus lass es ungewöhnliche sein, aber
     irgendwelche hast du. Todsicher. Und wahrscheinlich sind es bei dir die ganz schlimmen. Die Menschen wollen nun mal   …« James wusste nicht, wie vulgär er sich in Edwards Anwesenheit ausdrücken durfte, und verschluckte das letzte Wort.
     
    Edward war verstimmt. Warum fiel es James so leicht, sich zu amüsieren? Warum konnte er ohne Schuldgefühle genießen und sich
     einbilden, er mache selbstverständlich alle Frauen glücklich, ohne je nachzufragen, ob das wirklich stimmte? Warum gefiel
     ihm, Edward, selten eine Frau, während Jamie an jeder etwas fand, genug jedenfalls, um sie zu begehren?
    Er konnte nicht abstreiten, dass er im Grunde seines Herzens neidisch war, ein bisschen jedenfalls, und nur, weil er sich
     dieses Gefühl nicht eingestehen wollte, ließ er sich von James für dessen Zwecke benutzen wie ein willfähriger Leporello von
     Don Juan.
    Schlecht gelaunt band er seine Schuhe zu – sorgfältig, wie er nun einmal war, mit einem doppelten Knoten.
     
    »Mr.   Holbroke, schön, dass Sie auch mitkommen«, strahlte Kate ihn an. »James enthält Sie uns viel zu oft vor, er wacht eifersüchtig
     über Sie. Er entschuldigt Sie immer und sagt, Sie hätten etwas anderes vor, aber man könnte meinen, er fürchte sich nur vor
     der Konkurrenz seines besten Freundes. Andernfalls müsste ich annehmen, dass Sie mich meiden, was mich sehr betrüben würde.
     Sie sehen jedenfalls großartig aus heute. Findest du nicht auch, James?«, wandte sie sich an James, doch der begrüßte bereits
     Mathilde und Betsy und rief auch schon nach Edward, der Kate mit einem entschuldigenden Lächeln stehen ließ und damit jede
     Antwort umging.
    Es war ein warmer Tag, ein paar Wolken schwammen im Himmel und spiegelten sich in der Bläue des Sees. Gerade jetzt schob sich
     eine Wolke vor die Sonne und tauchte die kleine Gesellschaft und das Ufer des Moritzer Sees in einen lichten Schatten. Betsy
     reichte Edward die Hand, und dieser ergriff sie, seine Mutter war Deutsche, deshalb war ihm die Geste des Händeschüttelns
     vertraut. Er deutete eine

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