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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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beruhigen, sodass auch der letzte Teilnehmer am Picknick die Bildungslücke von Kates
     Gatten zur Kenntnis nahm.
    »Er ist doch in jeder bedeutenden Ausstellung vertreten. Die Japaner zahlen enorme Summen für seine Bilder«, lachte Mr.   Shuttleworth.
    »Ganz so ist es nun auch wieder nicht«, wies Myriam ihren Mann zurecht, der sich vor anderen gern aufspielte, in ihrem Eheleben
     jedoch, wie sie fand, nicht viel Ruhm auf sich lud. »In Frankreich hört man nicht viel von dem Guten und in Italien auch nicht.
     Welcher bedeutende Kunstkritiker schreibt denn schon über ihn? Nun lass schon den armen Robert in Ruhe.« Sie tätschelte Roberts
     Arm, holte dann aber noch einmal gegen ihren Mann aus, was mit dem Bienenstich zu tun haben mochte, den er nicht verhindert
     hatte. »Ja, es wird viel über ihn geschrieben. Aber das hat mit seiner Persönlichkeit zu tun, die Leute sind einfach fasziniert
     von ihm. Sein Aussehen, sein Lebensstil, seine enorme Kraft   … Da könnte sich manch einer eine Scheibe abschneiden.«
    Es entging niemandem, was sie meinte, und um das Gespräch wieder in ein anderes Fahrwasser zu leiten, übernahmen es die Herren,
     den Champagner zu entkorken.
    Robert Simpson erwies sich darin im Laufe des Picknicks als besonders geschickt, Kate gab die Hausfrau und verteilte vom Hotel
     eingepackte kalte Pasteten, Bündnerfleisch und rohen Speck für die ganz Hungrigen, und während sie die Teller austeilte, kommentierte
     sie jedes Gespräch, das sie mit anhörte.
    Edward seinerseits verwickelte Betsy in ein Gespräch, als er sah, wie James sich neben Mathilde ins Gras setzte, und war überrascht,
     wie schnell Betsy seine Aufmerksamkeit gefangennahm. Sie war nicht nur lebhaft und an fast allem interessiert, sie sprühte
     auch vor Unternehmungsgeist. Mit Ach und Krach gelang es ihm, James im Auge zu behalten, der die Gunst der Stunde nutzte.
     Er tat es offensichtlich mit Erfolg, jedenfalls hielt er schon ziemlich lange Mathildes Hand, was nur möglich war, weil Edward
     sich so gesetzt hatte, dass Betsy den beiden den Rücken kehrte, wenn sie Edward beim Reden ins Gesicht sehen wollte. Allem
     Anschein nach tat sie das gern und empfand das Gespräch mit Edward als äußerst anregend.
    »Haben Sie eigentlich schon eine richtige Bergtour hier unternommen?«, fragte sie ihn soeben.
    Edward schüttelte den Kopf, fand es aber eine ausgezeichnete Idee.
    »Viele Einheimische bieten sich als Führer an«, fuhr Betsy fort, »und ich habe mir vorgenommen, unbedingt von Maloja aus zum
     Lej Lunghin hinaufzusteigen, wo die Quelle des Inn entspringt. Und es gibt hier in der Nähe einen schönen Weg zum Muottas
     Muragl. Von dort oben soll man einen fantastischen Blick haben, über das ganze Tal mit seinen Seen. Ich muss nur sehen, dass
     Mathilde nicht allein ist. Sie hat verschiedeneAnwendungen im Heilbad, aber«, und damit drehte sie sich suchend um, »man muss doch ein Auge auf sie haben. Ich muss sie wohlbehalten
     wieder zu Hause und bei ihrem Verlobten abliefern.«
    »Und sie hat sich«, warf Kate ein, die sich gerade näherte, um ihnen Käse und Obst anzubieten, »wohl gerade in den guten James
     verguckt. Was man ihr nicht verübeln kann. Aber vielleicht hat ihr auch nur der Champagner ein bisschen den Kopf verdreht.
     Ich wusste gar nicht, dass sie verlobt ist   …« Sie lachte hell auf. »Aber schwierige Geschichten sind schließlich interessanter als einfache.« Sie wurde ernst und legte
     Betsy besänftigend ihre kleine Hand auf die Schulter. »Sie müssen sich nicht die geringsten Sorgen machen, Betsy, ich bin
     ja auch noch da. Wenn Sie die Berge hinaufwollen, tun Sie das jederzeit.«
    Sie wandte sich kurz Edward zu. »Haben Sie nicht Lust, Betsy zu begleiten? Ich jedenfalls könnte mir keine angenehmere Gesellschaft
     für eine Bergtour vorstellen.« Und mit ihrem fröhlichen Strahlen fügte sie hinzu: »Ich biete mich gern als Anstandsdame an.
     Ich werde ganz sicher nicht die Berge hinaufkraxeln, mein sportlicher Ehrgeiz liegt woanders. Ich verspreche Ihnen, Betsy:
     Ich werde Ihre Nichte hüten wie meinen Augapfel.«
    ***
    Andrina schmollte. Dies war doch ein Luxushotel, und hatte ein Luxushotel nicht dafür zu sorgen, dass in erster Linie die
     Gäste zufrieden waren? Ihnen jeder Wunsch von den Lippen abgelesen und erfüllt wurde? Und nun hatte es geheißen, nein, sie
     dürfe Ms. Simpsons Dienerschaft nicht zum Picknick an den Stazer See begleiten. Dabei hatte Ms. Simpson das selbst

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