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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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verloren, obwohl ich, wie Sie wissen, ein glänzender Spieler
     bin.«
    Mathilde atmete erleichtert auf und widmete sich ihrem Blaubeerkuchen mit dem dicken Sahneklecks darauf.
    »Aber wer könnte Sie besiegen? Das wäre das erste Mal, seit ich Sie kenne!«, gab Kate zurück.
    »Und stellen Sie sich vor: Es war eine Frau, der ich unterlegen bin. Ich sage ja, am besten schweige ich.«
    Kate warf einen scharfen Blick zu Mathilde hinüber. Doch die drehte sich gerade zu der Wirtin um, bat um ein Glas Wasser und
     wandte sich dann fragend Kate zu, als habe sie etwas von der Unterhaltung versäumt.
    »Haben Sie das mitbekommen, Mathilde? James hat ein Match verloren, und nicht nur das: Er hat gegen eine Frau verloren. Ich
     weiß wirklich nicht, wie ich das verstehen soll!«
    Kate kam die Situation durchaus verdächtig vor.
    Mathilde antwortete nicht und schickte ein Gebet zum Himmel, Kate möge nicht weiter nachbohren. Ihr Gebet wurde erhört, weil
     Kate nie alle Trümpfe aus der Hand gab – jedenfalls nicht vorzeitig und in Situationen, in denen es nichts brachte. Sie schlug
     vor, den Schützen zuzusehen.
    James schob seine Sportkappe tiefer in die Stirn und sagte: »Aber schießen kann ich heute nicht auch noch, ich hab mich schon
     genug angestrengt.« Dabei lachte er und hielt sich den Rücken wie ein gebeugter alter Mann.
    James schien unberührt von dem, was zwischen Mathilde und ihm vorgefallen war, er wirkte auf eine ihm eigene Weise entspannt
     und unerreichbar zugleich. Mathilde sah es mit Enttäuschung. Aus der Fassung hatte sie ihn offensichtlich nicht gebracht,
     und das gab ihr einen Stich. Mehr, es war ein wilder Schmerz, der ihr das Herz zusammenzog. Er wurde vertieft von der Scham,
     nur irgendeine Frau für ihn gewesen zu sein, die so dumm war, ihn jetzt noch mehr zu begehren, nachdem das Spiel für ihn,
     so sah es aus, längst zu Ende war.
    Mathilde wusste nicht, was schlimmer war, die Scham, das schlechte Gewissen oder die Sehnsucht, die von Minute zu Minute wuchs:
     dass er sie ansehen möge mit einem zärtlichen Blick des Einverständnisses.
    Dieses Gebet wurde nicht erhört.
    Nur Kate blühte auf und klatschte den erfolgreichen Schützen überschwänglich Beifall.
    ***
    Die Nacht war unruhig. Mathilde hustete mehr als gewöhnlich und wachte immer wieder aus wirren Träumen auf, deren Inhalt ihr
     entglitt, sobald sie versuchte, sich daran zu erinnern. Schon seit einiger Zeit hatte es immer wieder Nächte gegeben, in denen
     sie übermäßig schwitzte. Sie stand auf und wechselte so leise wie möglich, um Betsy im Nebenzimmer nicht zu wecken, das Nachthemd.
     Sie hatte Fieber, da konnte sie sich nichts mehr vormachen, so lieb ihr das auch gewesen wäre. Und beim Frühstück erklärte
     sie ihrer Tante, die noch immer begeistert von ihrem Ausflug mit Edward erzählte, dass Dr.   Bernhard sie nach einer Zwischenuntersuchung heute noch einmal gründlicher untersuchen und mit ihnen beiden sprechen wolle.
     Betsy war bestürzt, gab aber widerstrebendnach, als Mathilde sie bestürmte, wenigstens im Moment ihre Mutter noch aus dem Spiel zu lassen und erst einmal den Arztbesuch
     abzuwarten.
     
    »Nun sagen Sie mir einmal ehrlich, ob Sie nicht hier und da Schmerzen in der Brust haben, wenn Sie husten«, forschte Dr.   Bernhard nach, nachdem er Mathildes Brust und Rücken sorgfältig mit dem Stethoskop abgehört hatte. »Und keine Ausreden wie
     gestern.«
    Mathilde nickte, ja, sie hatte Schmerzen, wenn sie hustete, aber es war doch normal, dass einem die Brust dabei wehtat   …
    »Und Atemnot fühlen Sie nie?«
    »Nein«, gab sie, jetzt selbst beunruhigt, ängstlich zurück. »Nein   … nicht jedes Mal. Der Husten ist ja nicht immer gleich   …«
    »Sie wissen aber, wovon ich spreche. Und ich nehme an, dass sie sich am Abend fiebrig fühlen? Im Übrigen haben Sie auch jetzt
     Fieber.« Dr.   Bernhard schnäuzte sich mit einem weißen Taschentuch, fuhr damit dann einmal nach links, einmal nach rechts über seinen struppigen
     Schnauzbart und versenkte es wieder in der Tasche seines Kittels.
    »Nun, dann will ich Ihnen und Ihrer Tante sagen, was ich denke. Sie sollten jetzt mit der Bäderkur sofort aufhören, das ist
     viel zu anstrengend für Sie. Sie haben Tuberkulose, aber ich denke, in einem relativ frühen Stadium.«
    Mathilde stiegen Tränen in die Augen, und Betsy griff erschrocken nach ihrer Hand. Tuberkulose. Das war fast so, als hätte
     ein Richter aus heiterem Himmel ein Todesurteil

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