Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
Vom Netzwerk:
schon.‹
    ›Gehn wir nicht zu schnell?‹
    ›Nein, laßt nur, Kinder. Ob ich mich ein wenig setzen kann, oder glaubt ihr, es ist zu feucht?‹
    ›Der Sand ist pulvertrocken, Großvater, und noch ganz warm, du kannst dich ruhig setzen; komm, gib mir deinen Arm.‹
    ›Natürlich, Großvater, steck dir ruhig eine Zigarre an, wir werden schon achtgeben, daß nichts passiert.‹
    Zum Glück hat Joseph die Zigaretten im Wagen gelassen, und der Anzünder funktioniert; Großvater hat mir so schöne Kleider geschenkt und Pullover, viel schönere als Vater, der einen altmodischen Geschmack hat; man merkt, daß Großvater von Mädchen und von Frauen was versteht; ich will Großmutter nicht verstehen, ich will nicht, ihre Verrücktheit ist Lüge, sie hat uns nichts zu essen gegeben, und ich war froh, als sie weg war und wir was bekamen; mag sein, daß du recht hast, daß sie groß war und groß ist, aber ich will nichts von Größe wissen; ein Butterbrot mit Leberpastete, Weißbrot und Kräuterbutter, hätte mich fast das Leben gekostet; mag sie wiederkommen und abends bei uns sitzen, aber gebt ihr nicht den Schlüssel zur Küche, bitte nicht; ich habe den Hunger auf dem Gesicht des Lehrers gesehen und habe Angst davor; gib ihnen immer zu essen, lieber Gott, immer, damit das Schreckliche nicht wieder auf ihren Gesichtern erscheint; das ist ein harmloser Herr Krott, der sonntags ins Kleinauto steigt, um mit seiner Familie nach Sankt Anton zu fahren und dort dem Hochamt beizuwohnen; den wievielten Sonntag nach Pfingsten haben wir heute, den wievielten Sonntag nach Epiphanie, nach Ostern? - ein lieber
    Mensch, mit einer lieben Frau und zwei lieben Kinderchen:
    ›Sieh mal Ruth, ist unser Fränzchen nicht gewachsen?‹ ›Ja, Herr Krott, Ihr Fränzchen ist gewachsen!‹, und ich denke nicht mehr daran, daß mein Leben an einem Haar hing; nein; ich hab auch zweihundertmal ganz brav geschrieben: ›Du sollst nicht stehlen‹; und natürlich sag ich nicht nein, wenn Konrad Gretz eine Party gibt; da gibt's herrliche Gänseleberpastete mit Kräuterbutter auf Weißbrot, und wenn man jemand auf den Fuß tritt oder jemand das Weinglas umstößt, sagt man nicht:
    ›Entschuldigen Sie bitte‹, sagt auch nicht: ›Pardon‹, sondern:
    ›Sorry‹.
    Warm ist das Gras am Straßengraben, würzig ist Josephs Zigarette, und mir schmeckte das Honigbrot noch, als ich erfuhr, daß es Vater war, der die Abtei in die Luft gejagt hat; herrlich, Denklingen dort hinten in der Abendsonne; sie müssen sich beeilen, zum Umziehen brauchen wir mindestens eine halbe Stunde.
11

    »Kommen Sie nur her, General. Sie brauchen sich nicht zu schämen; alle Neulinge werden zuerst mir vorgestellt, denn ich bin am längsten in diesem hübschen Haus hier; warum schlagen Sie mit Ihrem Spazierstock Kerben in die unschuldige Gartenerde, schütteln dauernd den Kopf, vor jeder Mauer, vor der Kapelle, am Gewächs haus und murmeln: ›Schußfeld‹?; übrigens ein hübsches Wort: ›Schußfeld‹; freie Bahn den Kugeln und Geschossen; Otto, wie? Kösters? Nein, keine Intimitäten, keine Namen nennen, und der Name Otto ist außerdem besetzt; darf ich Sie also ›Schußfeld‹ nennen? Ich sehe es Ihnen an, höre es aus Ihrer Stimme heraus, rieche es an Ihrem Atem: Sie haben vom Sakrament des Büffels nicht nur gekostet, sondern davon gelebt, konsequente Diät gehalten. Nun hören Sie einmal zu, Neuer, sind Sie katholisch? natürlich, das Gegenteil hätte mich überrascht; können Sie ministrieren? natürlich, Sie sind von katholischen Patres erzogen; verzeihen Sie, daß ich lache; wir suchen hier schon seit drei Wochen einen neuen Ministranten; den Ba llosch haben sie als geheilt entlassen; wie war's, wenn Sie sich hier ein bißchen nützlich machten? Du bist doch ein harmloser Irrer, nicht gewalttätig, hast nur den einen und einzigen Tick, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit ›Schußfeld‹ zu murmeln; du wirst doch das Meßbuch von der rechten auf die linke, von der linken auf die rechte Altarseite tragen können; wirst vorm Tabernakel eine Kniebeuge machen können, wie? Du bist doch kerngesund, das gehört zu deinem Beruf, du kannst das Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa an die Brust schlagen, kyrie eleison sagen; na, siehst du, wozu ein gebildeter, bei katholischen Patres erzogener General noch zu gebrauchen ist; ich werde Sie dem Anstaltspfarrer als unseren neuen Ministranten vorschlagen; du bist doch einverstanden, nicht?
    Danke; man spürt doch

Weitere Kostenlose Bücher