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Billard um halbzehn

Billard um halbzehn

Titel: Billard um halbzehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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hatte je mit Schußfeld-Otto an dieser Stelle gestanden, wo der neue Abt lächelnd den Vater begrüßte:
    »Wir sind sehr glücklich, Herr Geheimrat, daß Sie uns wieder einmal die Freude eines Besuchs machen; sehr erfreut, Ihren Sohn kennenzulernen; Joseph ist ja schon fast wie ein Freund für uns, nicht wahr, Joseph? Eng ist das Schicksal unserer Abtei
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    mit dem Schicksal der Familie Fähmel verwachsen - und Joseph ist sogar, wenn ich mir gestatten darf, solche privaten Dinge zu erwähnen, Joseph ist hier sogar von Amors Pfeil getroffen worden; sehen Sie, Herr Doktor Fähmel, die jungen Leute werden heutzutage nicht einmal rot, wenn man von solchen Sachen spricht; Fräulein Ruth und Fräulein Marianne, leider muß ich Sie vom Rundgang ausschließen.«
    Die Mädchen kicherten; hatten nicht Mutter, Josephine, sogar Edith an dieser Stelle gekichert, wenn sie vom Männerbund ausgeschlossen wurden? Man brauchte im Fotoalbum nur die Köpfe und die Moden auszuwechseln.
    »Ja, die Klausur ist schon bezogen«, sagte der Abt, »hier unser Augapfel, die Bibliothek - bitte hier herum, die Krankenzelle, zum Glück im Augenblick unbewohnt...«
    Nie war er hier mit Kreide von Punkt zu Punkt gegangen, hatte seine geheimen Mischungen aus XYZ an die Wände geschrieben, den Code des Nichts, den nur Schrit, Hochbret und Kanders zu entziffern verstanden; Mörtelgeruch, Geruch frischer Farbe, frisch gehobelten Holzes.
    »Ja, das wurde dank der Aufmerksamkeit Ihres Enkels - Ihres Sohnes vor der Zerstörung bewahrt; das Abendma hlsbild hier im Refektorium; wir wissen wohl, daß es keine kunstgeschichtliche Rarität ist - Sie verzeihen mir diese Bemerkung, Herr Geheimrat
    -, aber selbst die Produkte dieser Malerschulen beginnen selten zu werden, und wir haben uns immer der Tradition verpflichtet gefühlt; ich muß gestehen, daß mich die Detailtreue dieser Maler heute noch entzückt - Sehen Sie hier, mit welch einer liebevollen Sorgfalt gemalt, Sankt Johanns und Sankt Peters Füße, die Füße eines älteren und eines jüngeren Mannes; Treue im Detail.«
    Nein, hier hatte niemand Es zittern die morschen Knochen gesungen; keine Sonnwendfeuer; nur Traum. Distinguierter Herr, Anfang Vierzig, Sohn eines distinguierten Vaters, Vater
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    eines frischen, sehr intelligenten Sohnes, der lächelnd dem Rundgang beiwohnte, obwohl ihn das Unternehmen sehr zu langweilen schien; jedesmal, wenn er sich Joseph zuwandte, sah er nur ein freundliches, etwas müdes Lächeln auf dessen Gesicht.
    »Wie Sie wissen, waren nicht einmal die Wirtschaftsgebäude verschont geblieben; wir haben sie als erste wieder aufgebaut, weil sie uns die materielle Vorbedingung für einen glücklichen neuen Start zu gewährleisten schienen; hier der Kuhstall; natürlich melken wir elektrisch; Sie lächeln - ich bin sicher, unser heiliger Vater Benedikt hätte nichts gegen elektrisches Melken einzuwenden gehabt. Darf ich Ihnen hier einen bescheidenen Imbiß servieren lassen?
    - einen
    Willkommensgruß, unser berühmtes Brot, unsere berühmte Butter und den Honig; Sie wissen nicht, daß jeder sterbende oder resignierende Abt seinem Nachfolger eine Botschaft hinterläßt: Familie Fähmel nicht vergessen; Sie gehören ja wirklich zu unserer Klosterfamilie - ach, da sind ja die jungen Damen schon; natürlich, hier sind sie wieder zugelassen.«
    Brot und Butter, Wein und Honig auf schlichten hölzernen Tischplatten; Joseph hatte den einen Arm um seine Schwester, den anderen um Marianne gelegt; Blond zwischen zwei schwarzen Mädchenköpfen.
    »Sie werden uns doch die Ehre antun, zur Einweihung zu kommen? Kanzler und Kabinett haben ihr Erscheinen zugesagt, einige ausländische Fürstlichkeiten werden dasein, und es wäre uns eine große Freude, die ganze Familie Fähmel hier als unsere Gäste zu begrüßen; meine Festansprache wird nicht im Zeichen der Anklage stehen, sondern im Zeichen der Versöhnung, Versöhnung auch mit jenen Kräften, die in blindem Eifer unsere Heimstatt zerstört haben, keine Versöhnung allerdings mit jenen zerstörerischen Kräften, die unsere Kultur aufs neue bedrohen; darf ich also hier die Einladung aussprechen und die herzliche Bitte, daß Sie uns die Ehre erweisen?«
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    ›Ich werde nicht zur Einweihung kommen‹, dachte Robert,
    ›weil ich nicht versöhnt bin, nicht versöhnt mit den Kräften, die Ferdis Tod verschuldeten, und nicht mit denen, die Ediths Tod verschuldeten und Sankt Severin schonten; ich bin nicht versöhnt, nicht versöhnt

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