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Billard um halbzehn

Billard um halbzehn

Titel: Billard um halbzehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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mit mir und nicht mit dem Geist der Versöhnung, den Sie bei Ihrer Festansprache verkünden werden; es war nicht blinder Eifer, der Ihre Heimstatt zerstörte, sondern Haß, der nicht blind war und dem noch keine Reue erwachsen ist. Soll ich bekennen, daß ich es gewesen bin? Ich muß meinem Vater Schmerz zufügen, obwohl er nicht schuldig ist, und vielleicht meinem Sohn, obwohl auch er nicht schuldig ist, und Ihnen, Ehrwürdiger Vater, obwohl auch Sie nicht schuldig sind; wer ist schon schuldig? Ich bin nicht versöhnt mit der Welt, in der eine Handbewegung und ein mißverstandenes Wort das Leben kostet.‹ Und er sagte: »Herzlichen Dank, Ehrwürdiger Vater, es wird mir eine Freude sein, an Ihrem Fest teilzunehmen.«
    ›Ich werde nicht kommen, Ehrwürdiger Vater‹, dachte der Alte, ›denn ich würde hier stehen nur als ein Denkmal meiner selbst, nicht als der, der ich bin: ein alter Mann, der seiner Sekretärin heute morgen den Auftrag gab, sein Denkmal zu bespucken; erschrecken Sie nicht, Ehrwürdiger Vater; ich bin nicht versöhnt mit meinem Sohn Otto, der nicht mehr mein Sohn war, sondern nur die Hülle meines Sohnes; und mit Gebäuden, auch wenn ich sie selbst erbaute, kann ich keine Versöhnung feiern. Man wird uns bei den Feierlichkeiten nicht vermissen; Kanzler, Kabinett, ausländische Fürstlichkeiten und hohe kirchliche Würdenträger werden gewiß die Lücke würdig ausfüllen. Bist du es gewesen, Robert, und hast dich gefürchtet, es mir zu sagen? Dein Blick, deine Bewegungen beim Rundgang haben es mir verraten; nun: es trifft mich nicht -
    vielleicht hast du dabei an den Jungen gedacht, dessen Namen ich nie erfuhr: der deine Zettelchen in unseren Briefkasten warf
    - und an den Kellner, der Groll hieß, an die Lämmer, die
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    niemand geweidet hat, auch wir nicht; feiern wir also nicht Versöhnung: sorry, Ehrwürdiger Vater, Sie werden es ertragen, Sie werden uns nicht vermissen; lassen Sie eine Tafel aufhängen: ,Erbaut von Heinrich Fähmel im Jahre 1908, in seinem neunundzwanzigsten Lebensjahr, zerstört von Robert Fähmel, im Jahre 1945, in seinem neunundzwanzigsten Jahr' -
    was wirst du tun, Joseph, wenn du dreißig bist? Wirst du deines Vaters Büro für statische Berechnungen übernehmen: bauen oder zerstören? Formeln sind wirksamer als Mörtel.
    Stärken Sie Ihr Herz mit Choral, Ehrwürdiger Vater, überlegen Sie sich gut, ob Sie wirklich mit dem Geist, der das Kloster zerstörte, versöhnt sind.‹
    »Herzlichen Dank, Ehrwürdiger Vater, es wird uns eine Freude sein, an Ihrem Fest teilzunehmen«, sagte der Alte.
    Kühle stieg schon aus Wiesen und Niederungen, trockene Rübenblätter wurden feucht, dunkel, versprachen Reichtum; links vor dem Steuer Josephs blonder Kopf, rechts die beiden schwarzen Mädchenköpfe; leise glitt das Auto auf die Stadt zu; sang dort jemand: ›Wir haben das Korn geschnitten‹? Es konnte nicht wahr sein, so wenig wie der schlanke Turm von Sankt Severin am Horizont; Marianne sprach als erste wieder: »Du fährst nicht über Dodringen?« »Nein, Großvater wollte über Denklingen fahren.« »Ich denke, wir fahren auf dem kürzesten Weg in die Stadt?« »Wenn wir um sechs in der Stadt sind, ist es früh genug«, sagte Ruth, »zum Umziehen brauchen wir nicht mehr als eine Stunde.« Das Gespräch der Kinder klang leise wie Geflüster aus dunklen Erdschächten, wo Verschüttete einander Hoffnung zusprechen; ich sehe Licht; du täuschst dich; aber ich sehe wirklich Licht; wo?; hörst du denn nicht das Klopfen der Rettungsmannschaft?; ich höre nichts; hatten wir denn im Gästezimmer laut gesprochen?
    Es ist nicht gut, Formeln aus ihrer Erstarrung zu lösen, Geheimnisse in Worte zu fassen, Erinnerung in Gefühle umzusetzen, Gefühl kann sogar so gute und strenge Dinge wie
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    Liebe und Haß töten; gab es wirklich einmal den Hauptmann, der Robert Fähmel hieß, der sich im Kasinojargon so gut auskannte, Gepflogenheiten so präzis exerzierte, pflichtgemäß die Frau des rangältesten Offiziers zum Tanz aufforderte, mit knapper Stimme Toaste auszubringen verstand; auf die Ehre unseres geliebten deutschen Volkes; Sekt, Ordonnanz; Billardspiel; rot über grün, weiß über grün; weiß über grün; und eines Abends stand ihm einer gegenüber, hielt den Billardstock in der Hand, lächelte und sagte: ›Schrit, Leutnant, wie Sie sehen, Sprengspezialist wie Sie, Herr Hauptmann, verteidige mit Dynamit die abendländische Kultur.‹ Der trug keine gemischte Seele in der

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