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Billard um halbzehn

Billard um halbzehn

Titel: Billard um halbzehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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diesen Unken nicht recht geben müssen?‹ Und ich hatte Angst vor dem großen Spiel, das aus dem Papier steigen, mich überwältigen würde; ich hatte das Spiel gespielt, aber mir nie klargemacht, daß ich es auch gewinnen könnte; der Ruf, gegen Brehmockel, Grumpeter und Wollersein allein nicht gesiegt zu haben, würde
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    mir genügt haben, aber sie zu besiegen? Ich hatte Angst und sagte doch: ›Ja, ich werde durchhalten, Ehrwürdiger Vater.‹ Er nickte, lächelte und ging.
    Um fünf ging ich im Strom der Arbeiterinnen durch die Toreinfahrt, machte meinen planmäßigen
    Feierabendspaziergang; ich sah verschleierte Schönheiten, die in Droschken zum Rendezvous fuhren, Leutnants, die im Cafe Fuhl zu weicher Musik harte Getränke tranken; ich ging jeden Tag vier Kilometer, eine Stunde lang, immer den gleichen Weg um die gleiche Zeit; sie sollten mich sehen, sollten mich immer um die gleiche Zeit an den gleichen Orten sehen; Ladnerinnen, Bankiers und Juweliere; Huren und Schaffner, Ladenschwengel, Kellner und Hausfrauen; sie sollten mich sehen und sahen mich; von fünf bis sechs, mit der Zigarre im Mund; ungehörig, ich weiß, aber ich bin Künstler, zum Nonkonformismus verpflichtet; ich darf auch stehenbleiben bei den Leierkastenmännern, die die Melancholie des Feierabends ausmünzen; Traumstraße, die durchs Traumkabinett führte: gut geölte Gelenke hatten meine Komparsen, wurden von unsichtbaren Fäden bewegt, Münder öffneten sich zu Stichworten, die ich ihnen zugestand, kalte Melodie der Billardkugeln im Hotel Prinz Heinrich; weiß über grün, rot über grün; Mannequins winkelten ihre Arme, um mit dem Queue zuzustoßen, um Biergläser zum Munde zu führen, sammelten Points, spielten Serien, klopften mir kollegial auf die Schulter; ach ja, ach nein, oh glänzend, Pech gehabt; während ich die Erdklumpen auf meinen Sarg fallen hörte, Ediths Todesschrei schon wartete, und des blonden Tischlerlehrlings letzter Blick, den er im Morgengrauen auf die Gefängnismauern werfen sollte, schon bereitgehalten wurde.
    Ich fuhr mit meiner Frau, meinen Kindern ins Kissatal, zeigte ihnen stolz mein Jugendwerk, besuchte den älter gewordenen Abt und las in seinem Gesicht die Jahre ab, die ich in meinem eigenen nicht entdeckte; Kaffee im Gästezimmer, Kuchen, aus eigenem Mehl gebacken, mit selbstgeernteten Pflaumen und der
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    Sahne eigener Kühe; meine Söhne durften die Klausur betreten, meine Frau mit den kichernden Töchtern mußte draußen warten: vier Söhne, drei Töchter, sieben Kinder, die mir siebenmal sieben Enkel bescheren würden, und der Abt lächelte mir zu:
    ›Wir sind ja jetzt sogar Nachbarn geworden.‹ Ja, ich hatte die beiden Weiler Stehlingers Grotte und Görlingers Stuhl gekauft.
    »Ach, Leonore, schon wieder das Cafe Kroner? Nein, ich habe doch ausdrücklich gesagt: Kein Sekt. Ich hasse Sekt. Und nun machen Sie Feierabend, Kind, bitte. Und würden Sie mir noch ein Taxi bestellen, auf zwei Uhr? Es soll an der Toreinfahrt warten, vielleicht kann ich Sie ein Stück mitnehmen. Nein, ich fahre nicht über Blessenfeld. Bitte, wenn Sie wollen, können wir das noch klären.«
    Er wandte sich von seinem Wechselrahmen ab, blickte ins Atelier, wo immer noch der große Entwurf von Sankt Anton an der Wand hing, die Luft von Staub erfüllt war, den die fleißige Mädchenhand trotz aller Vorsicht aufgewirbelt hatte; unverdrossen räumte sie den Stahlschrank aus, hielt ihm jetzt einen Haufen Geldscheine hin, die vor fünfunddreißig Jahren schon ihren Wert verloren hatten, brachte kopfschüttelnd einen anderen Packen Geld zum Vorschein, das vor zehn Jahren wertlos geworden war, zählte ihm korrekt die fremd gewordenen Scheine auf den Zeichentisch: zehn, zwanzig, achtzig, hundertzwölf, hundertundzwanzig Mark.
    »Ins Feuer damit, Leonore, oder vielleicht schenken Sie es den Kindern auf der Straße, die großangelegten Quittungen des Schwindels, der vor fünfunddreißig Jahren begonnen, vor zehn bekräftigt wurde. Ich habe mir nie etwas aus Geld gemacht, und doch hielten mich alle für geldgierig; sie haben sich getäuscht, ich wollte nicht Geld, als ich das große Spiel anfing; und als ich es gewann und populär wurde, da erst wurde ich mir bewußt, daß sich alle Voraussetzungen für die Popularität in mir vereinten; ich war tüchtig, liebenswürdig, einfach, war Künstler, Reserveoffizier, hatte es zu etwas gebracht, wurde reich und war
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    doch, war doch ›der Junge aus dem Volke‹ und verleugnete

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