Bille und Zottel 03 - Mit einem Pferd durch dick und duenn
ihr begütigend die Hand auf die Schulter.
„Es geht schnell“, sagte er. „Hätte ich gar nicht gedacht, bei unserer Prinzessin auf der Erbse. Man täuscht sich eben immer wieder. Ja. mein Mädchen", sprach er beruhigend auf die Stute ein, „du machst das schon. Ganz prima machst du das. Bald haben wir’s geschafft.“
Bille spürte, daß ihre Hände naß von Schweiß waren. Im gleichen Rhythmus, wie die Stute stöhnend versuchte, das Fohlen auf den Geburtsgang zuzupressen, krampfte sich Billes Körper zusammen. Lieber Gott, laß das Fohlen schnell auf die Welt kommen! dachte Bille. Mach doch, daß sie sich nicht mehr quälen muß!
Da — unter dem Schweif der Stute erschien etwas Dunkelglänzendes! Bille starrte mit angehaltenem Atem auf diese runde dunkle Wölbung, die heraustrat, größer wurde und wieder zurück in den Leib der Stute glitt.
Der alte Petersen lächelte. „Du hast Glück. Scheint wirklich alles glattzugehen. Sie hält sich großartig, unser Mädchen. Brauchen uns gar nicht einzumischen.“
Eine ganze Weile schien es nicht so recht vorwärtszugehen. Oder kam es Bille nur so vor? Zentimeterweise schob sich das Fohlen durch den Geburtsgang nach draußen, aber immer wieder schien es in den Leib der Stute zurückgezogen zu werden. Bille erkannte unter der Eihaut, die das Fohlen naß und glänzend umgab, die kleinen Vorderhufe und die Nase. Und plötzlich — begleitet von einem tiefen, heiseren Stöhnen — bäumte sich der Leib der Stute auf, und das Fohlen glitt mit einem eigentümlich saugenden Laut ins Stroh.
Bille fühlte einen dicken Kloß im Hals. Das Fohlen lag einen Augenblick leblos, wie tot, noch umgeben von seiner Schleimhauthülle, nur schwach beleuchtet von der Lampe im Mittelgang des Stalles. Lebt es überhaupt? dachte Bille in rasender Angst. Da begannen die kleinen Beine zu zucken und zu strampeln, Sinfonie richtete sich auf und beschnupperte ihr Neugeborenes. Dann sprang sie auf und begann sofort, das Fohlen kräftig abzulecken. Die Eihaut zerriß und das Kerlchen versuchte den Kopf zu heben.
Bille schaute fassungslos auf dieses Wunder.
„Unbegreiflich!“ flüsterte sie. „Eben war da noch nichts, außer der vor Schmerzen stöhnenden Stute — und jetzt ist dieses zappelnde, quicklebendige Pferdekind da! Schauen Sie nur! Es versucht, sich aufzurichten!“
Atemlos verfolgte sie, wie das Fohlen die wackligen, überlangen Hinterbeine hochstemmte, wieder zur Seite kippte, es von neuem versuchte und ganz plötzlich — mit weit gespreizten unsicheren Beinen — aufrecht neben der Mutter stand. Der wollige kleine Schweif schlug vor Anstrengung wie ein Lämmerschwänzchen hin und her, das noch feuchte, struppige Fell ringelte sich in kleinen Locken.
„Es ist ein Hengstfohlen“, sagte Petersen, „ein hübscher Kerl. Schau die gleichmäßig weißen Strümpfe!“
„Hm — als trüge er Gamaschen! Und die schmale Blesse — richtig elegant“, sagte Bille zwischen Lachen und Weinen. Sie fühlte sich ganz feierlich und ein bißchen, als hätte sie einen Schwips.
„Ich hätte nicht gedacht, daß Sinfonie eine so gute Mutter ist. Sie scheint ganz verliebt in ihren kleinen Sohn zu sein.“
Sie hatten das Knarren der Stalltür gar nicht gehört. Plötzlich stand Herr Tiedjen neben ihnen.
„Donnerwetter — es ist ja schon da!“ sagte er überrascht. „Dörfler erreichte mich in der Stadt und sagte, daß Sinfonie beschlossen habe, noch heute nacht Mutter zu werden.“
Bille und Petersen zwinkerten sich zu.
„Ein prächtiges Hengstfohlen, Chef. Wird sicher mal ein würdiger Nachfolger seiner Mutter auf den internationalen Parcours werden.“
Bille sah ihren Lehrer strahlend an.
„Ich bin froh, daß ich es miterleben durfte“, sagte sie — immer noch mit einem verräterischen Kickser in der Stimme. „Es war so... so... ach, einfach wunderbar!“
Eine Weile standen sie schweigend und schauten dem Fohlen zu, wie es neugierig um seine Mutter herumstakste.
„Ein kräftiger Kerl“, lobte Herr Tiedjen .
„Und er sieht so abenteuerlich aus“, meinte Bille. „Gar nicht, als wäre er eben erst auf die Welt gekommen. Er scheint überhaupt nicht scheu zu sein.“
„Weißt du denn schon einen Namen für unseren jüngsten Nachwuchs?“
„Der Name muß mit ,Sin‘ beginnen, nicht wahr?“
„Nach Möglichkeit.“
„Oh, darüber habe ich schon lange vorher nachgedacht' Und er scheint auch auf ihn zu passen: Sindbad! Sindbad, der
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