Bille und Zottel 08 - Ein Filmstar mit vier Beinen
leise.
Zwanzig Minuten lang beobachteten sie stumm, wie die Stute das Fohlen auf den Geburtsgang zupreßte .
Plötzlich spürte Bille, die hinter Bettina im Gang stand, wie die Freundin ihre Hand suchte und sie so kräftig drückte, daß es schmerzte. Tatsächlich — unter der Schweifrübe erschien etwas Dunkles, Glänzendes. Eine Nase und zwei Füßchen zeichneten sich unter der schwarzglänzenden Schicht ab und schoben sich langsam ans Licht.
„Es liegt ganz normal“, hauchte Bille erleichtert. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen!“
In rhythmischen Stößen wurde das Fohlen ausgetrieben. Ein letztes kräftiges Pressen, und es glitt ins Stroh. Die Mädchen hielten den Atem an. Einen Herzschlag lang lag es da wie tot, aber dann regten sich die Füßchen. Die langen Hufe zerrissen die Eihaut, der Kopf rutschte im Stroh unruhig hin und her.
Sternchen hatte noch einmal tief seufzend durchgeatmet, schon richtete sie sich wieder auf und war gleich darauf auf den Beinen. Neugierig beschnupperte sie ihr Kind und begann es mit kräftigen Strichen trockenzulecken .
Wie ein Massagehandschuh glitt die mütterliche Zunge über den wolligen, kleinen Körper.
„Es atmet so schnell!“ flüsterte Bettina besorgt.
„Das ist ganz normal. Schau, es hebt den Kopf!“ Bille sah, daß der Freundin vor Freude die Tränen über das Gesicht liefen. Sie konnte es Bettina nachfühlen. Genau so war ihr zumute gewesen, als sie das erste Mal die Geburt eines Pferdekindes hatte miterleben dürfen — damals, bei Sindbad!
„Schau doch! Es richtet sich auf! Es versucht hochzukommen!“
„Einen Stern hat es auf der Stirn — genau wie die Mutter! Oh!“ Fassungslos beobachtete Bettina, wie das Fohlen seine winzigen Vorderhufe ins Stroh stemmte, sein Hinterteil hob, ins Stroh zurücksank und es von neuem versuchte.
„Da! Es hat es geschafft! Es steht!“
Bettina war nicht mehr zu halten. Vorsichtig stieg sie von der Krippe hinunter und näherte sich Sternchen. Unendlich zart streichelte sie die kleine Stute und ihr Fohlen.
„Ein Stutfohlen, Bille! Ein Stutfohlen, und es sieht genau aus wie Sternchen! Oh, bist du süß, meine Kleine!“ Bettina weinte hemmungslos vor Glück und kniete vor dem Fohlen nieder. „Kleines Mädchen! Ich bin so glücklich, daß du da bist!“
„Trotzdem mußt du jetzt was tun“, lenkte Bille ab, um die Freundin sanft aus ihrem siebten Himmel auf die Erde zurückzuholen. „Ruf Dr. Dörfler an, daß das Fohlen auf der Welt ist. Wenn du dich jetzt zu sehr einmischst, schaffst du nur Verwirrung. Mutter und Kind müssen sich erst in aller Ruhe kennenlernen.“
„Du hast recht .“
„Wenn die Nachgeburt heraus ist, kannst du das Stroh auswechseln und Sternchen waschen.“
„Weiß ich, ich hab doch alles genau vorher studiert!“ Bettina lächelte. „O Bille, ich bin so unbeschreiblich glücklich! Und weißt du, wie die Kleine heißen wird? Stella! Das bedeutet doch auch ,Stern’ !“
Ein Windzug kam herein, in der halboffenen Stalltür erschien der Kopf des Tierarztes.
„Schnell, kommen Sie rein, es zieht!“ rief Bettina besorgt.
„Na, ihr beiden? An euren Gesichtern sehe ich, daß es gute Nachrichten gibt, hab ich recht ? Donnerwetter, das ist aber eine bildhübsche kleine Pferdedame! Erstaunlich groß und schlank für einen kleinen Haflinger!“
„Sie hat ja auch einen tollen Vater! Wußten Sie das nicht? Sie ist ein Kind von Patrick! Aber jetzt muß ich gehen. Gute Nacht, ihr zwei! Bis morgen, Bettina! Gute Nacht, Onkel Doktor! Vielleicht schaffe ich es noch, heimzukommen, bevor Mutsch und Onkel Paul es merken.“
Da allerdings hatte sie sich getäuscht. Als sie in ihr Zimmer trat, hielt Mutsch gerade den Zettel in der Hand.
„ Mußtest du dich unbedingt um diese Zeit noch draußen herumtreiben? Wenn dir nun etwas zugestoßen wäre“, sagte
Mutsch vorwurfsvoll.
Bille umarmte ihre Mutter.
„Was willst du“, sagte sie glücklich. „Sterne fallen eben nur nachts vom Himmel. Übrigens — es ist ein Stutfohlen!“
Thorsten sucht Trost
Wochen waren vergangen. In Groß- Willmsdorf blühten die Kastanien. Der Mai hatte sich unfreundlich gezeigt, er war kalt und naß gewesen, aber jetzt, in den letzten Tagen, schien er alles wiedergutmachen zu wollen. Die Sonne schien strahlend von einem blitzblauen Himmel, und das Thermometer kletterte auf sommerliche Temperaturen.
Hinter dem Park, von hohen Buchen und Eichen verdeckt, erhob sich auf der Koppel die neue Reithalle. Und
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