Bille und Zottel 09 - Im Sattel durch den Sommer
hinaus. Zottel stand einträchtig mit Moischele, dem winzigen Shetlandpony, beieinander. Fast sah es aus, als erzählten sich die beiden Witze, während sie sich im Schatten der großen Kastanie vom Spielen ausruhten.
Als Zottel seine Herrin kommen sah, hob er den Kopf und begrüßte sie mit einem warmen, dunklen Wiehern. Sofort hatte er die Früchte in ihren Händen erspäht und kam eilig zu ihr herüber.
„Schau mal, was ich da Feines habe! Komm her, mein Schatz, na, ist das nicht lecker?“
„ Hmhmhmhmhm “, machte Zottel und reckte den Hals. „Noch ein bißchen näher!“
Zottel schielte abwechselnd zu der gelb leuchtenden Birne und zu dem Halfter in Billes Hand. Er hatte überhaupt keine Lust zu arbeiten, aber die Birne wollte er sich doch nicht entgehen lassen. Sein Hals wurde immer länger, mit gespitzten Lippen versuchte er den Leckerbissen zu erreichen.
„ Denkste , du mußt schon herkommen!“
Jetzt tauchte Moischele neben ihm auf, ging nahe an Bille heran und schnappte nach der Birne.
Das war zuviel . Zottel drängte den Kleinen heftig zur Seite und schnappte sich die saftige Frucht. Wie der Blitz hatte Bille ihm das Halfter übergestreift.
„Na komm schon, mein Dicker, nicht sauer sein, ein bißchen Bewegung schadet dir gar nichts, du bist viel zu fett.“
Bille gab Moischele die zweite Birne und führte Zottel zum Stall hinüber. Moischele folgte gehorsam.
In wenigen Minuten hatte Bille die beiden Ponys angeschirrt und vor den Kastenwagen gespannt. Zottel scharrte ärgerlich mit den Hufen. Er liebte es gar nicht, vor dem Wagen zu gehen, statt unter dem Sattel querfeldein zu traben.
„ Nimm’s nicht so tragisch, mein Junge.“ Bille klopfte ihm beruhigend den Hals. „Ich möchte auch lieber im Sattel sitzen, aber was hilft’s! Wir können doch Mutsch jetzt nicht im Stich lassen! Und wie ich sie kenne, hat sie heute abend eine Extrabelohnung für euch.“
Bille kam gar nicht bis zum Sparmarkt. Einen Kilometer vor der Leestener Ortseinfahrt sah sie bereits die Bescherung: Schaulustige umringten den in den Graben gekippten Laster, Dorfpolizist Bode versuchte abwechselnd den sich stauenden Verkehr zu dirigieren und ein Protokoll zu verfassen. Döbrich , der Fahrer des Lastwagens, ein gutmütiger, dicker, kleiner Mann, schien völlig mit den Nerven am Boden zu sein. Ununterbrochen wischte er sich mit einem riesigen karierten Taschentuch über Stirn und Nacken und scheuchte wie eine aufgeregte Henne die Scharen neugieriger Kinder von der über den Boden verstreuten Ladung weg.
„Herr Döbrich !“ rief Bille schon von weitem, und sofort wandte sich die Aufmerksamkeit der Kinder von der Unglücksstelle ab und den beiden ungleichen Ponies zu. „Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Döbrich , ich komme Ihnen zu Hilfe!“
Bille sprang vom Wagen und nahm Zottel beim Kopf. An einer einigermaßen flachen Stelle führte sie die Ponys mit dem Wagen auf das Feld, nahe an den Lastwagen heran.
„So, jetzt noch ein Stückchen rückwärts, gut so, noch einen Schritt, na komm, Junge! So ist es brav, noch ein Stückchen... Haaalt !“
„Ein Glück, daß du da bist!“ ächzte Herr Döbrich . „Die Bande hier hat mich total verrückt gemacht! Kaum drehe ich ihnen den Rücken zu, da sind sie schon an den Kartons mit der Schokolade! Hier, nimm diese Sachen zuerst, sie müssen in die Tiefkühltruhe. Warte, ich helfe dir.“
„Wie konnte denn das passieren?“ erkundigte sich Bille vorsichtig.
„Ach, da ist mir doch so eine Schlafmütze, so ein Vollidiot, in der Kurve auf der falschen Seite entgegengekommen! Der Blitz soll ihn beim Ka... hm... na ja“, brach er ab und warf Bille einen entschuldigenden Blick zu. „Ich mußte ausweichen, wenn ich nicht frontal mit ihm zusammenstoßen wollte. Hat sich denn ja auch gelohnt.“
„Argem Sie sich nicht, Herr Döbrich . Die Hauptsache ist doch, daß Ihnen nichts passiert ist! Das andere kommt schon wieder in Ordnung. Ich bringe jetzt die erste Ladung nach Leesten und komme gleich wieder zurück. Mit zwei Fuhren schaffen wir’s, denke ich.“
Bille lenkte die Ponys auf die Straße zurück, dann sprang sie auf den Wagen und ließ die Peitsche durch die Luft pfeifen, daß die Kinder kreischend und juchzend zurücksprangen und Zottel und Moischele sofort in einen munteren Trab fielen.
Der Sparmarkt war um diese Zeit stets gut besucht. Am Fleisch- und Wurststand hatte sich eine lange Schlange gebildet. Mutsch, die sonst gewöhnlich im Büro saß und sich
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