Billigflieger
den Aufstand? Vergiss es, mein Lieber. Dafür ist es jetzt nämlich zu spät. Mir entwischst du nicht mehr!«
Nina steht vor mir und erinnert mich mehr an Gozilla als an die Frau, mit der ich in weniger als vierundzwanzig Stunden vor den Traualtar treten soll. Der Eindruck wird dadurch noch verstärkt, dass der Schwall an Schimpfworten, den sie auf mich niedergehen lässt, immer mehr zu einem einzigen, langgezogenen Fauchen wird.
Okay, ein paar einzelne Wortfetzen sind zu verstehen. In denen geht es unter anderem darum, dass ich ungehobelt, unsensibel, unverlässlich und auch ansonsten total unmöglich sei.
Klar, Nina ist stinksauer und wenn ich ehrlich bin, kann ich sie sogar verstehen. Ich weiß, dass ich mich ihr gegenüber nicht gerade wie ein Gentleman benehme. Und schon gar nicht wie ihr Verlobter. Im Gegenteil, mein Verhalten ist in gewisser Weise wirklich ziemlich hart. Und rücksichtslos. Aber vielleicht ist es einfach höchste Zeit dafür. Und das erklärt auch, warum ich mich dabei ziemlich gut fühle. Es kommt mir vor, als würde das morsche Stück Holz zum Leben erwachen. Und endlich zu handeln beginnen.
Darum weiß ich auf einmal, dass ich keine Wahl habe. Ich muss es tun. Ich muss gehen.
»Es tut mir leid, Nina. Aber ich kann nicht anders. Ich muss es tun …« Mit diesen Worten lasse ich sie einfach stehen und renne los.
Um die Richtung, die ich einschlagen muss, brauche ich mir übrigens keine Gedanken zu machen. Ich lasse mich einfach nur vom Strom der Menschen mitziehen, die alle dasselbe Ziel zu haben scheinen. Ein solches Happening will sich schließlich keiner entgehen lassen.
Einmal bleibe ich kurz stehen und frage ein paar Leute, die noch halbwegs nüchtern sind, was denn eigentlich passiert ist.
»Nix Schlimmes. Da hinten brennt gerade so eine Hotelruine nieder. Aber da wohnt sowieso keiner mehr drin. War uralt, der Kasten. Wir wollten gucken gehen, aber die Polizei hat uns vertrieben. Unverschämtheit.«
Ich habe also Recht gehabt. Das hier hat wirklich etwas mit mir zu tun. Auf einmal merke ich, wie Panik in mir aufsteigt. Und zwar eine Panik, wie ich sie bisher höchstens ein einziges Mal empfunden habe, nämlich als während des WM-Endspiels 1990 bei uns in der Straße der Strom ausfiel.
50. Darth Vader
Ich biege um die nächste Ecke, und dann sehe ich es. Das Isla Mallorca steht lichterloh in Flammen. Der Brand hat sich bereits so stark ausgebreitet, dass mein Sachverstand als freiwilliger Feuerwehrmann genügt, um eines sofort zu wissen - da ist nichts mehr zu retten. Die Flammen werden nicht mehr zu zügeln sein, bevor das Haus restlos niedergebrannt ist.
Die spanische Feuerwehr sieht das offenbar genauso. Vor dem Gebäude haben zwei Löschfahrzeuge Aufstellung genommen. Deren Spritzen richten sich aber nicht auf das Hotel, sondern auf die beiden danebenliegenden Gebäude. Es sind zwei moderne und ziemlich hässliche Hotels, die sie mit dem Wasser kühlen, damit die Flammen nicht übergreifen. Klar, warum sollte man das Isla Mallorca auch retten? Es sollte ja sowieso abgerissen werden.
Ich drängle mich durch die johlende Menschenmenge. Die meisten Gaffer halten frisch gezapfte Biere in ihren Händen und singen dazu Lieder wie »Hurra, hurra, die Schule brennt« oder »Da steht ein Pferd auf dem Flur«.
Viele von ihnen kommentieren außerdem das Geschehen: »Hübsches Feuerchen.«
»Schade, dass wir nicht näher drankommen, dann könnten wir ein paar Würstchen grillen.«
»Um den alten Klapperkasten ist es sowieso nicht schade.«
»Vielleicht sollten wir noch ein paar Tische von der Kneipe da vorne reinwerfen. Damit es besser brennt.«
Ich schiebe mich bis in die vorderste Reihe durch. Eine Kette aus Polizisten gibt sich alle Mühe, die nach vorne drängenden Touristen zurückzuhalten. Sie gehen dabei nicht gerade sanft vor. Hier und da entstehen ein paar Handgemenge, und nicht selten sind es die Polizisten, die den Kürzeren ziehen. Mit einer angetrunkenen Menge deutscher Ballermann-Besucher sollte man sich eben besser nicht anlegen.
Aber das ist im Moment mein geringstes Problem. Mir stellt sich nämlich eine ganz andere Frage. Ist sie womöglich noch da drin? Ist Katie oben in ihrem Zimmer, vielleicht gefangen in den Flammen, und niemand hier unten weiß etwas davon? Schließlich gehen alle davon aus, dass das Hotel verlassen war.
Ich weiß, dass es nur eine Methode gibt, das herauszufinden. Ich muss da rein. Ich muss in das brennende Gebäude, denn bis ich
Weitere Kostenlose Bücher