Billigflieger
würde, wüsste ich nicht einmal, ob sie noch lebt.
Nachdem wir vorhin ins Hotel zurückgekehrt sind, haben wir miteinander geschlafen. Und auch dabei stellte sich eine seltsame, wohlige Vertrautheit ein. Kein aufregender Sex. Aber auch nicht das Gegenteil. Es war wie die erneute Wiederholung eines Spielfilms im Fernsehen - du kennst zwar die meisten Details, aber eigentlich guckst du ihn trotzdem gerne. Es fühlte sich an, als wäre ich nach Hause zurückgekehrt - die Zeit der Abenteuer ist vorbei. Dann ist Nina in meinen Armen eingeschlafen.
Seitdem liege ich auf dem Rücken, starre an die Zimmerdecke und hänge meinen Gedanken nach. Alles, was ich will, ist, mich mit meinem Schicksal zu versöhnen. Ich spüre sogar, dass ich es könnte. Es ist keineswegs unmöglich. Schließlich weiß ich nach den Erfahrungen der letzten Stunden endlich wieder, wo ich hingehöre. Genau dahin, wo ich jetzt bin. An die Seite von Nina. Und bestimmt nicht an die Seite von Katie. Denn das würde sowieso nicht gutgehen. Weil Katie mich und meine Art zu leben auf Dauer sowieso nicht ertragen könnte. Sie würde mich früher oder später todsicher verachten. Und sie und ihre Art zu leben würden mir auf Dauer auch auf die Nerven gehen. Ich bin nun mal der Currywurst-Typ . Und kein Entrecote-mit-Mousse-de-Champagne-Mann .
Aber wenn das gar nicht stimmt? Und wenn ich in Wahrheit einfach nur nicht bereit bin, ein Risiko einzugehen? Schließlich könnte ich mich doch zur Abwechslung mal auf jemanden einlassen, der ganz anders ist als ich. Und bei dem dennoch einfach alles stimmt. Denn mal ehrlich - eigentlich ist Katie doch fantastisch. Und sogar die Tatsache, dass sie nicht zu mir passt, ist nicht wirklich schlimm. Denn wer sagt eigentlich, dass ein Mann und eine Frau zusammenpassen müssen? Klar, wenn man auf einer Wellenlänge ist, sind viele Dinge einfacher. Aber kommt es darauf an, dass die Dinge einfach sind? Dann könnte man doch genauso gut alleine bleiben. Oder sich statt einer Frau einen Hund zulegen.
48. Schauspieler
Am nächsten Tag fühle ich mich ziemlich seltsam. Ausnahmsweise liegt das nicht nur an dem Alkohol vom Abend vorher und auch nicht daran, dass ich in der Nacht mehr oder weniger kein Auge zugemacht habe.
Nein, ich vermute einfach, dass mein Unterbewusstsein eine Art Ausnahmezustand ausgerufen hat. Das ist ein ganz normaler biologischer Schutzmechanismus, den zum Beispiel Soldaten im Krieg erleben oder Menschen, die in einem abstürzenden Flugzeug sitzen. Oder eben Männer, die den Traualtar vor Augen haben.
Angenehm ist das übrigens nicht. Den ganzen Tag laufe ich herum, als hätte ich unsichtbare Inlineskates an den Füßen. Oder als würde ich über eine einzige gigantische Hüpfburg klettern. Und meine Umgebung - das Hotel, der Pool, sogar Nina und die Jungs - erscheint mir seltsam verschwommen und unwirklich zu sein.
Und am allerunwirklichsten fühle ich mich selbst. Ich komme mir nämlich vor wie ein Schauspieler, der damit beauftragt wurde, die Hauptrolle in einem fremden Leben einzunehmen - so als müsste er mich selbst ersetzen. Alles, was vorher selbstverständlich war, kommt mir auf einmal unbekannt und seltsam vor. Oder, um es ein wenig unkomplizierter auszudrücken: Ich fühle mich verlogen und niederträchtig.
Aber immerhin scheine ich die Sache mit dem Schauspielern ganz gut zu machen. Jedenfalls merkt niemand, wie es in mir drin aussieht. Und Nina schon gar nicht. Sollte sie insgeheim doch etwas bemerken, dann verdrängt sie es vermutlich. Oder sie findet es einfach normal, dass ein Mann vor der Hochzeit nervlich angespannt ist.
Nach dem Frühstück, das wir ausnahmsweise im Hotel einnehmen (es gibt also doch Frühstück!), gehen wir an den Strand hinunter. Wir breiten unsere Badetücher aus, und ich versuche, den Schlaf nachzuholen, den ich in der Nacht nicht bekommen habe.
Aber auch jetzt gelingt es mir nicht abzuschalten. Außerdem schwitze ich. Kein Wunder. Vom wolkenlosen Himmel brennt eine gnadenlose Mittelmeersonne. Als meine Körpertemperatur gefühlte 43 Grad erreicht, beschließe ich, dass es Zeit für eine Erfrischung ist. Ich gehe hinüber zu dem Surfboard-Verleih und miete mir für zwei Stunden ein Brett.
Aber selbst das verschafft mir keinen Trost. Anders als sonst scheint die Magie des Windsurfens nicht zu wirken. Ich fühle mich nicht frei, nicht schwerelos, nicht lebendig. Im Gegenteil. Es ist eine träge, eher langweilige Angelegenheit.
Klar, das könnte auch daran
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