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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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murmelte mit einer Handbewegung vor dem Gesicht, als wolle sie die aufsteigenden Bilder von Söhnen verscheuchen: »Buenos Aires …« Julien rätselte, ob für sie diese Halbwüchsi-25

    gen, an die sie jetzt wohl dachte, zu einer fernen Welt gehörten, zu der sie keinerlei Beziehung hatte, oder ob sie sich Jungen von ne-benan vorstellte.
    »Sechs Millionen also in fünf Jahren«, fasste Doug Murphy zusammen. »Ich werde meine Beamten fragen, aber versprechen kann ich noch nichts.«
    »Ihre Beamten fragen?«, fuhr Bourdages auf. »Und vielleicht ein Ad-hoc-Komitee einberufen oder ein Weißbuch verfassen? Früher oder später werden die Medien ihre Nase in diesen ›Unflat‹ stecken, wie Sie so schön formuliert haben. Ich sehe schon die Schlagzeilen vor mir: ›Snuffs – die Regierung wusste Bescheid und hat nichts unternommen.‹«
    Während er das sagte, verstaute er die Aufstellung in seiner Aktentasche. Für ihn war die Sitzung beendet.
    Ada Nalukturuk erhob sich als Erste. Der Blick, den sie Kiersten zuwarf, verhieß dieser, dass sie ihre Forderungen empfehlend dem Bewilligungskomitee für Sondermittel unterbreiten würde.
    Doug Murphy hatte auf die letzte Bemerkung von Paul Bourdages nicht reagiert. Das besagte jedoch keineswegs, dass er nicht gro-
    ße Lust dazu gehabt hätte. Um Haltung zu bewahren, tat er so, als mache er sich eine Notiz in seinem Terminkalender, und erhob sich dann seinerseits. Er sah, dass Julien ihn wortlos beobachtete.
    »Was bedeutet das ›C‹ hier?«, fragte er, um das unbehagliche Schweigen zu brechen, und legte dabei den Finger auf den roten Aufkleber der Kassette.
    »Wollen Sie das wirklich wissen?«, entgegnete Julien.
    Der Mann vom Schatzamt zog die Hand zurück.
    »Wenn ich Ihnen eine Frage stelle, mein Freund, möchte ich auch eine Antwort haben!«
    »›C‹ steht für Children, Kinder«, antwortete Julien bekümmert.
    »Dieses Snuff stammt aus Liverpool – einer der ganz seltenen Fälle, in denen man das Opfer identifizieren konnte. Es ist ein achtjähri-26

    ges Mädchen, Marjorie Herschley. Man hat sie vor den Augen der Mutter zu Tode gequält… Ihr Gesicht ist immer wieder in Großaufnahme zu sehen, während man im Hintergrund die Schreie des Kindes hört. Eine Neuheit, achtundvierzig Minuten und fünfzehn Sekunden. Den Preis kennen Sie ja…«
    Doug Murphy durchfuhr eine Ahnung, dass er sich auf dieser Sitzung wie ein Dummkopf und Feigling benommen habe. Um sich von seinem schlechten Gewissen zu befreien, beschloss er, gleich nach seiner Rückkehr ins Büro Lester Clarkson anzurufen. Dieses ganze Getue wegen einer lumpigen Million pro Jahr, welche Zeit-verschwendung! Also gut, damit wäre die Sache erledigt! Jetzt musste er nur noch schnellstens all das vergessen, was er in diesem über-heizten Sitzungssaal gesehen und gehört hatte.
    Während der Fahrt entschied sich Ada, den Taxifahrer zu bitten, sie zum Eingang des Rockliffe-Parks zu bringen. Beim Zahlen verdoppelte sie das Trinkgeld. Sie schritt eine Allee mit hohen Bäumen entlang, die ihr im Vergleich mit den baumlosen Weiten ihres Ge-burtslandes so gänzlich fremd erschienen und die doch hier für sie zu wahren Freunden geworden waren. Wäre sie schlanker und in besserer Form gewesen, wäre sie wohl losgerannt, bis ihr die Luft ausging, um die Spannung loszuwerden, die ihre Muskeln verkrampfte. So begnügte sie sich mit einem forschen Marsch unter einer bleichen Sonne, genoss die frische Luft und nahm die Gerüche von Humus und Blattwerk in sich auf, die sanften Farben und die Stille.
    Schließlich ließ sie sich auf einer Bank am Flussufer nieder und legte die Fingerspitzen auf die Lippen, wie um sich vom Reden abzuhalten. Sie schaute auf das sich kräuselnde Wasser, ohne es wahrzunehmen. Sie fühlte sich als Waise, als Entwurzelte, als dahintrei-bende Seele. Gerade am Ende der Sitzung hatte sich ihr Blick mit 27

    dem des Stellvertretenden Inspektors Boniface gekreuzt – es war, als ob die Zeit für einen Moment stehen blieb. Nie zuvor hatte sie Augen mit einer solchen Intensität brennen sehen: Augen, in denen ohnmächtige Wut loderte, Auflehnung, Widerstand. Diese Augen waren Zeugen des Martyriums eines kleinen Mädchens namens Marjorie geworden, und seitdem konnten sie die Welt nicht mehr wie vorher sehen. Ada spürte einen kalten Hauch im Nacken, und Schauer liefen über ihre Schultern und Arme. Ihre innere Welt war weit und groß, und doch war kein Platz dann für das, was sie vorhin hatte mit ansehen

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