Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
Vom Netzwerk:
eine Art Schlafzimmer an, ein anderer in der Mitte war sozusagen das Wohnzimmer mit einem großen Weidenkorb, der als Kaffeetisch diente, einem tiefen Sofa mit abgewetztem Bezug und zwei Ledersesseln.
    Er forderte Laurence auf, Platz zu nehmen. Als er sah, dass sie stehen blieb, wiederholte er: »Machen Sie es sich in meiner bescheidenen Hütte bequem, und folgen Sie mir bitte nicht! Ich muss etwas frische Luft schöpfen, meiner Gesundheit zuliebe … Die Vergiftung, wissen Sie – schrecklich!«
    Er war in Schweiß gebadet und zog sich die Jacke aus.
    »Welche Vergiftung meinen Sie?«, fragte sie und betrat, ein wenig zögernd, den Raum.
    »Sie natürlich! Entschuldigen Sie, Erklärung folgt gleich!«
    Er ging auf eine große, an das Atelier grenzende Terrasse hinaus.
    Dort machte er, um wieder Atem zu schöpfen, einige lächerlich wirkende gymnastische Übungen.
    In einer Vertiefung entdeckte Laurence ein mächtiges Fernrohr auf einem fahrbaren Ständer. »Würde mich nicht wundern, wenn 105

    der gute Mann seine Nächte damit verbringt, die Sterne zu beobachten«, dachte sie amüsiert.
    Sie ließ sich in einen der Sessel fallen – denjenigen, von dem sie annahm, dass sie noch am ehesten daraus wieder hochkäme. Inwiefern mochte sie eine ›Vergiftung‹ für Fjodor Gregorowitsch darstel-len? Und was bestand für eine Beziehung zwischen dem Schriftsteller Jorge Amado und diesem alten Hund, der sich kaum noch auf den Beinen halten konnte?
    Eine dicke Sammelmappe aus Karton lag auf dem Weidenkorb.
    Sie trug einen Aufkleber mit der Aufschrift ›Dr. Laurence Descombes‹. Darin befand sich ein Sammelsurium von Dokumenten – Zeitungsausschnitte, die Kopie des Fragebogens, den sie vor der Abreise nach Farghestan hatte ausfüllen müssen, das Original einer handschriftlichen Notiz, die Antoine Becker an Teresa Lagerstein geschickt hatte. »… seelisch sehr labil. Sie wohnte seit der Rückkehr aus Saint-Brieuc bei uns, und ich konnte sie aus der Nähe beobachten. Ihre äußerliche Selbstbeherrschung ist nur Fassade, und ihre Weigerung, von dem zu berichten, was sie erlebt hat, beunruhigt mich zutiefst. Sie schreit oft im Schlaf, und ich habe begründeten Anlass zu der Annahme, dass sie während ihrer Gefangenschaft vergewaltigt wurde…« Weiter hieß es: »Mitteilungen meines Sohnes Jean-Louis zufolge, der sich zu gleicher Zeit in Rhages auf-hielt, konnten die Umstände der Entführung von Frau Dr. Descombes nie völlig geklärt werden, ebenso wie die Bedingungen ihrer Gefangenschaft…«
    Laurence fuhr auf, und die Papiere aus der Mappe flatterten zu Boden. Fjodor Gregorowitsch saß in dem Sessel ihr gegenüber. Wie war er dahin gekommen? Er beobachtete sie, und sie versenkte zum ersten Mal ihre Augen in das Wassergrün der seinen und fühlte, wie eine Schwäche sie überkam.
    »Warum dieser plötzliche Wutausbruch?«, wollte er wissen.
    »Sie hatten nicht das Recht, das zu lesen! Ich habe niemals die Weitergabe meiner Unterlagen erlaubt, und Sie …«
    »Das geht auf die Initiative der Lagerstein zurück«, antwortete er 106

    und wischte mit einer Handbewegung ihren Vorwurf weg. »Sie können dieses ganze Zeug mitnehmen …«
    »Meine Erklärungen haben sie also nicht zufrieden gestellt. Ich hatte auch schon meine Zweifel daran!«
    »Ach was! Sie hatte einfach diese Gerüchte mitbekommen, ohne zu wissen, was nun daran war. Flüchtlinge aus Farghestan hatten über Sie geredet… Hässliche Vorwürfe!«
    Ihr wurde übel, und sie musste gegen die Versuchung ankämpfen, aufzustehen und die Flucht zu ergreifen. Antoines Notiz trug kein Datum. Wann mochte er sie wohl geschrieben haben – vor oder nach ihrer Diskussion? Und was sollte sie von der Bemerkung über die Mitteilungen von Jean-Louis halten? Sie verlor den Faden ihrer Gedanken, als ihr Blick wieder auf den Aktendeckel vor ihr fiel.
    »Sie haben das hingelegt, damit ich es lese«, murmelte sie, aus der Fassung gebracht. »Dabei sind Sachen dabei, die ich sicher nicht sehen sollte … Glauben Sie selbst auch, dass ich vergewaltigt wurde?«
    Sie erinnerte sich an ihre Ankunft in der Botschaft, die Befragung durch den Sicherheitsbeauftragten und wenig später die Untersuchung durch Dr. Rudaz. Der arme Kollege hatte nicht so recht gewusst, wie er sich ausdrücken sollte: »… Opfer von Missbrauch …
    äh, wie soll ich sagen … sexueller Natur …«
    »Vergewaltigt, wieso?«, sagte Fjodor Gregorowitsch. »Ich weiß nichts davon, ich habe da nicht

Weitere Kostenlose Bücher