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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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genoss ganz unübersehbar die Aussicht darauf. Und Balzac stellte seine zurückgelegten Ohren wieder auf, was bei ihm ein unverkennbares Zeichen höchster Zufriedenheit war.
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    6 . KAPITEL
    jodor Gregorowitsch Syssojew wartete auf Laurence am Haupt-Feingang der Pariser Oper. Vor einem riesigen Werbeplakat für die Oper Boris Godunow stehend, musterte er die Passanten. Seine für ihn zu kleinen runden Brillengläser betonten ungeschickterweise noch das Unruhige seines Blickes. Mit seiner zerfurchten Stirn, seinem mächtigen Brustkasten und den breiten Schultern wirkte er wie gerade vom Zarenhof gekommen, wie die leibhaftige Verkörperung einer der Figuren dieser Oper, die mit mächtigem Bass die Trauer in ihrem Herzen besingt.
    Antoine Becker hatte darauf bestanden, Laurence zu dem Treffen mit ihm hinzubringen. War es Fürsorglichkeit, die ihn dazu veranlasste, oder wollte er sie überwachen? Sie hätte es nicht sagen können.
    »Das da oben muss er sein«, murmelte er am Fuß der großen Treppe. »Ich hatte Sie ja auf ihn vorbereitet.«
    Von oben schaute diese auffallende Persönlichkeit der jungen Frau entgegen, die zu ihm hinaufstieg. Seine argwöhnische Miene schien zu verkünden: »Ich habe dich auf Anhieb erkannt! Versuch bloß nicht, dich für jemand anderen auszugeben! Das zieht bei mir nicht!«
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    »Herr Syssojew?«, fragte Antoine und zog die ausgestreckte Hand wieder zurück, weil der andere seine Hände hartnäckig hinter dem Rücken verschränkt hielt. »Wir sind Bekannte von Teresa.«
    Syssojew schenkte ihm keinerlei Beachtung, sondern schaute weiterhin Laurence an und richtete seine Antwort an sie, als ob sie das Gespräch eröffnet hätte.
    »Schweigen Sie mir von der Lagerstein! Diese Frau ist ein Vampir!«, stieß er mit starkem russischem Akzent hervor, gewaltig das R rollend. »Am Telefon geht es ja noch, mit viel gutem Willen.
    Aber von Angesicht zu Angesicht? Eine Katastrophe!«
    »Ich bin Laurence Descombes.«
    Er trat einen Schritt zurück, musterte sie von Kopf bis Fuß und wiegte sich von einem Fuß auf den anderen, als ob er noch überlegen müsse, ob er nicht lieber gehen solle.
    »Ich glaube Ihnen aufs Wort!«, versicherte er ihr, wirkte aber dabei, als wolle er gleich in Tränen ausbrechen. »Zur Fortsetzung unseres Gesprächs gehen wir jetzt erst einmal zu mir.«
    »Teresa hat von einer ›Voruntersuchung‹ gesprochen«, warf Antoine schroff ein, wie um zu verdeutlichen, dass er an der Vorbereitung dieses Treffens beteiligt gewesen sei.
    »Das sieht ihr mal wieder ganz ähnlich!«, rief Fjodor Gregorowitsch aus, wobei er sich wiederum ausschließlich an Laurence wandte. »›Voruntersuchung‹, so ein Blödsinn! Sie traut Ihnen nicht, das ist alles!«
    Die junge Frau trat neben ihn und warf dabei Antoine, dem die Manieren dieses Kosaken überhaupt nicht gefielen, einen Blick zu, der besagen sollte, er gehe jetzt besser und brauche sich um sie keine Gedanken zu machen; sie komme schon alleine zurecht.
    »Ich wollte Sie unter freiem Himmel kennen lernen, um feststellen zu können, ob die Chemie stimmt«, erläuterte ihr der Russe.
    »Ob die Atome zueinander passen. Wie soll man sich vor Parasiten schützen, wenn die sich erst einmal eingenistet haben? Jemanden 99

    nachträglich vor die Tür setzen – das bringe ich nicht fertig!«
    Sie schritten gemeinsam die Rue de La Chaussée-d'Antin hinunter. Dabei schaute er sich immer wieder um, als befürchte er, von irgendwelchen Feinden überfallen zu werden, die sich vielleicht als harmlose Passanten verkleidet haben könnten.
    »Wir könnten doch ein Taxi nehmen«, schlug sie vor. »Ich fühle mich von dieser Menschenmenge … irgendwie bedrängt.«
    »Ein Taxi? Kommt gar nicht in Frage! Und Ihre Bedrängung lassen Sie mal meine Sorge sein. Zwanzig Minuten in so einem Taxi eingesperrt, wenn es zu einem Stau kommt, eine halbe Stunde noch zusätzlich – unmöglich! Entschuldigen Sie bitte – aber das geht einfach über meine Kraft!«
    »Sie leiden unter Klaustrophobie?«
    »Nicht unter Klaustrophobie – Vampirophobie!«, entgegnete er und beschleunigte seine Schritte. »Das Taxi als solches macht mir nichts aus, die Taxifahrer sind es, die meine Seele in Aufruhr bringen! Das ist ein internationales Phänomen, die Taxifahrer sind überal gleich; fünf Minuten mit einem von denen zusammen, und man ist verloren! Die Hölle auf kleinem Feuer!«
    »Alle Taxifahrer sind Blutsauger«, sagte sie in ganz neutralem Ton.
    »Na sehen Sie, ich

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