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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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sichtbar!
    Reicht es, dass ein Staat seine Grenzen für sich selbst festlegt? Nein, es muss die Grenzen für andere sichtbar machen: Pflöcke setzen, Zäune ziehen, Zollstationen bauen. Wer sich von außen nähert, soll sehen: Hier beginnt ein fremdes Land! Er soll wissen: Diese Grenze darf ich nur mit Genehmigung überschreiten! Wer dagegen verstößt, bekommt Ärger.
    Einen sichtbaren Grenzzaun um alles ziehen, was Sie in Ihrem Leben verteidigen wollen, das müssen auch Sie bei der Arbeit. Ein Klient von mir, Patentanwalt, wollte seine Familienabende gegen dienstliche Mails verteidigen. In seiner Sozietät war es üblich, dass die Mitarbeiter bis in die tiefe Nacht auf Mails antworteten. Er hatte das auch getan, über mehrere Jahre.
    Doch nun kriselte seine Ehe. Und seine Kinder, 10 und 13 Jahre alt, verbrachten die Nächte wie er: vor dem Computer. In Coaching-Gesprächen fand er heraus, dass er ein Arbeitsleben im Hamsterrad führte, dass er seine eigenen Werte verriet zugunsten der Firma. Er beschloss, mit aller Kraft sein Familienleben zu schützen.
    In seinem Selbst-Vertrag hatte er festgelegt, künftig diese Heimarbeit abzustellen. Nun markierte er in zwei Schritten seine neue Grenze: Erstens sagte er bei einer Sitzung zu seinen Chefs und seinen Kollegen: »Eine Mitteilung zur Arbeitsorganisation: Meine Abende mit der Familie genießen ab sofort Priorität. Sie haben in letzter Zeit unter den ständigen Dienstmails gelitten, das werde ich nicht länger zulassen. Künftig bin ich nur in der Firma erreichbar – und dann wieder am nächsten Morgen.«
    Alle waren verblüfft, weil er von den Gepflogenheiten abwich, aber auch beeindruckt, weil er mit solcher Klarheit sprach. Das klang nicht wie das übliche »Nie wieder«, das Mitarbeiter im Affekt sagen, aber spätestens am nächsten Tag zurückziehen. Woher nahm er diese Sicherheit?
    Der Jurist schlug noch einen zweiten Grenzpflock ein: Sobald er das Büro abends verließ, schaltete er eine Abwesenheitsmail. Dort hieß es, er sei wieder am nächsten Tag ab 9 Uhr erreichbar. Nun hatte es jeder Nacht-Mailer schriftlich, dass seine Post ins Leere lief – niemand konnte behaupten, er sei davon ausgegangen, ihn noch erreicht zu haben.
    Dieser zweite Schritt imponierte den Kollegen noch mehr, einer fragte ihn: »Wie hast du das eigentlich dem Chef verklickert?« Er antwortete: »Ich werde bezahlt dafür, gute Arbeit zu leisten. Das kann ich auch ohne abendliche Mails.« Genauso hatte er es auch dem Chef gesagt – und war zu seinem Erstaunen nur auf halbherzigen Widerstand gestoßen.
    In den ersten Wochen wurde ihm das Mailfach über Nacht vollgestopft. Doch mit der Zeit merkten die Absender, dass ihr nächtlicher Aktionismus nichts brachte. Die Zahl der späten Mails ging spürbar zurück.
    Mit der Entschlossenheit, mit der sachlichen und sprachlichen Klarheit, mit der Sie Ihre Grenze setzen, sinkt der Anreiz für andere, an dieser Grenze zu rütteln. Standhaftigkeit ist ein harter Job! Aber wie folgender Ausspruch, der US -Autor Arthur Miller zugeschrieben wird, es so treffend beschreibt: »Das Leben ist eine Nuss. Sie lässt sich zwischen zwei weichen Kissen nicht knacken.«
    Wenn ein Kissen zu weich ist, sprich der Wille, die Grenze zu verteidigen, nicht hart genug, dann lässt sich das schon an der Sprache erkennen. Wählen Sie klare Worte, und meiden Sie schwammige Konjunktive sowie das Wörtchen »eigentlich«! Wer »eigentlich« im Urlaub keine Mail empfangen möchte, »eigentlich« nicht den Geburtstag seiner Tochter auf einer Dienstreise verbringen, »eigentlich« nicht Arbeiten verrichten, für die andere den Ruhm einfahren – der hat seinen Schlagbaum bereits gehoben und der Ausnahme zugestimmt!
    3. Bewachen und verteidigen Sie Ihre Grenzen!
    Grenzen setzen ist das eine – sie verteidigen das andere! Zahllose Mitarbeiter kündigen an, nie wieder Überstunden zu machen, nie wieder Urlaub zu verschieben, nie wieder Deppenarbeiten zu übernehmen. Doch wenn der Chef sie mit Schmeicheleien einwickelt (»Ich konnte mich noch immer auf Sie verlassen!«), mit Drohungen einschüchtert (»Wenn Sie sich weigern, wird das Konsequenzen haben!«) oder ihren Helferinstinkt wachkitzelt (»Sie lassen mich doch in dieser schwierigen Situation nicht hängen!«) – dann schaltet Ihre Grenzampel doch auf Grün. Ausnahmsweise. Und der Chef marschiert grinsend hindurch.
    Führungskräfte wissen: Die meisten Mitarbeiter sind nicht willens, ihre Grenze zu verteidigen. Man muss

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