Bin ich hier der Depp
von außen angegriffen; manchmal steht der Feind im eigenen Land. Alle Ansprüche, die jahrelang auf Sie eintrommeln, können sich zu Selbstansprüchen verwandeln, zu einem Echo im Kopf, das Ihren eigentlichen Willen übertönt. Diese »inneren Antreiber« stammen nicht nur aus der Erziehung, sondern auch aus dem Bildungs- und Arbeitsweg.
Zum Beispiel haben viele Menschen durch den Rotstift des Lehrers gelernt: »Jeder Fehler, den ich mache, sogar der kleinste, wird gnadenlos bestraft.« Es gab keinen grünen Stift, der Richtiges hervorhob, nur einen roten, der Fehler brandmarkte.
Und in der Arbeitswelt herrscht derselbe Geist. Fast jeder erlebt täglich, dass korrekte Arbeiten ohne Rückmeldung bleiben, während der Chef ihm jeden Fehler um die Ohren haut, oft vor Zeugen: »Wie konnte das bloß passieren!«, »Solche Schlampereien können wir uns nicht erlauben!«, »Haben Sie Tomaten auf den Augen?«
Der nicht abreißende Hagel der Ansprüche verankert im eigenen Kopf den Glaubenssatz: »Du darfst keine Fehler machen!«
Diese Überzeugung ist bestens geeignet, die Arbeit weit ins eigene Lebensland eindringen zu lassen! Wer alles tut, um Fehler zu vermeiden, muss zwei Jobs in nur einer Arbeitszeit verrichten: Arbeitsausführer und Fehlerkontrolleur. Als Ausführer will er eine Aufgabe vom Tisch bekommen, doch als Kontrolleur hält er sie fest. Die Zahlen rechnet er nach, nun zum dritten Mal. Die Strategie, eigentlich schon fertig, fängt er noch einmal von vorne an, nur um sich später keine Unzulänglichkeit vorwerfen lassen zu müssen. Und nicht mal die belanglose Mail lässt er los, ehe sie preisverdächtig formuliert und mehrfach auf Komma- und Rechtschreibfehler durchforstet ist.
Der Ausführer geht zwei Schritte vor, der Kontrolleur mindestens einen Schritt zurück, und so kommen die beiden nur im Schneckentempo vorwärts. Um diesen Rückstand aufzuholen, drückt der Ausführer aufs Tempo. Weil er aufs Tempo drückt, macht er noch mehr Fehler. Deshalb bremst der Kontrolleur noch stärker.
Die Aufgabe wird durch den Selbstanspruch aufgeblasen, sie dehnt sich bis über den Feierabend, bis ins Wochenende, bis in den Urlaub – grenzenlos!
Ähnlich wirkt sich ein weiterer Glaubenssatz aus, der dem ewigen Arbeitsdruck entspringt: »Mach schneller!« Es reicht nicht, schnell zu sein, es bedarf der Steigerung. Wer hat nicht schon von seinem Chef gehört: »Sind Sie noch nicht fertig?«, »Wann bekomme ich endlich das Dokument?«, »Nun wird es aber höchste Zeit!«
Alles drängt, alles eilt, und die Arbeit sollte möglichst fertig sein, ehe sie angefangen ist. Mit den Jahren verinnerlicht man: »Ich muss schneller sein!«
Mit fliegenden Händen und wirbelnden Gedanken jongliert der Mitarbeiter seine Arbeit. Sein Arbeitsleben gleicht einer Aufholjagd, er ist immer im Rückstand, immer am Hetzen, die Termine laufen ihm weg. Seine Finger trommeln auf den Schreibtisch. Sein Gesicht zuckt nervös. Und wenn der Drucker nicht druckt, kann es schon mal passieren, dass er ihm aus Ungeduld einen Fausthieb verpasst.
Und doch misslingt es ihm, schneller zu sein! Daraus könnte er schließen: »Ich habe zu viel Arbeit und zu wenig Zeit!« Aber tatsächlich denkt er: »Ich bin zu langsam!« Und so erhöht er sein Tempo, bis ihm schwindlig wird. Um fertig zu bekommen, was während der Arbeitszeit nicht fertig zu bekommen ist, baut er Überstunden auf – und überschreitet seine Grenzen.
Nun könnte man sagen: »Selber schuld, solche Mitarbeiter – die müssen sich besser organisieren!« Und einige Chefs würden lauthals hinzufügen: »Die Überforderung liegt hier in der Persönlichkeit, nicht in der Arbeit!«
Aber das wäre zu kurz gedacht, denn solche inneren Antreiber werden durch die Ansprüche der Hamsterrad-Firmen genährt. Ansprüche sind keine Bedürfnisse – unterscheiden Sie beides sorgsam! Ein Bedürfnis lässt sich erfüllen, ein Anspruch nicht. Ein Bedürfnis kann zugrunde liegen, wenn Ihr Chef sagt: »Die Arbeit muss bis Freitag fertig sein.« Das ist (manchmal) zu erreichen. Ein Anspruch wäre: »Arbeiten Sie schneller!« Das ist nie zu erreichen, nicht mal mit Schallgeschwindigkeit, denn es geht immer noch schneller. So perfekt Sie auch arbeiten, es geht noch perfekter. So hart Sie auch arbeiten, es geht noch härter!
Genau solche Ansprüche sind es, die ein Hamsterrad am Laufen halten. Wer sie erfüllen will, strampelt sich ab, ohne vorwärts zu kommen. Er steigert seine Anstrengungen, bis er nicht
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