Bin ich hier der Depp
sich (vorerst) um schlappe sieben Jahre auf 2017. [34] Bis dahin wird an der Elbe keine Musik, nur das Rumpeln der Baumaschinen zu vernehmen sein.
Der Berliner Hauptbahnhof, als architektonisches Meisterstück gedacht, wurde mit einem Dachschaden eröffnet: Weil der Bahnhof zum geplanten Eröffnungstermin vor der Fußball- WM 2006 nicht annähernd fertig geworden war, musste das spektakuläre Glasdach von 450 auf 320 Meter gekürzt werden. Und in der Eile wurde derart gepfuscht, dass Anfang 2007 ein tonnenschwerer Stahlträger vom Wind aus der Glasfassade gerissen wurde und auf eine Treppe stürzte. [35] Rund fünf Jahre später regnete es an etlichen Stellen bereits durchs Dach. [36]
Im November 2012 erwartete die Deutsche Bahn 16 ICE -Züge, von langer Hand beim deutschen Vorzeigekonzern Siemens bestellt. Diese Züge sollten den Winterverkehr sicherstellen. Der Winter kam – die hoch und heilig versprochenen Züge kamen nicht. Dabei wirbt die Zugsparte von Siemens mit dem Slogan: »Geschwindigkeit entscheidet – im Business und auf der Schiene«. Es war nicht das erste Mal, dass Siemens in Verzug geriet: Der Konzern hatte sich vorher schon beim Bau von Atomkraftwerken, Großflughäfen und Stromanbindungen auf See ein beachtliches Renommee als Terminversager erworben. [37]
Alle Firmen beten vor dem Altar der Schnelligkeit. Mit der Terminpeitsche scheuchen die Chefs ihre Mitarbeiter, machen Druck und verbreiten Hektik. Doch wenn die Staubwolke sich legt, werden auf dem Schlachtfeld der Arbeit keine Erfolge sichtbar, nur ausgebrannte Mitarbeiter. Übertriebenes Tempo erzeugt Langsamkeit; die Effektivität nimmt ab. Firmen hetzen bis in den Stillstand – so wie am Berliner Flughafen, wo durch das hausgemachte Chaos nach der zweiten Verschiebung auf einmal alles stillstand.
Mich erinnern die Hamsterrad-Unternehmen an Autos auf schlammigem Grund: Weil die Termine zu eng gesetzt sind, geben sie Vollgas. Weil sie Vollgas geben, drehen die Räder durch. Und weil die Räder durchdrehen und sich in den weichen Grund eingraben, stecken sie fest. Tiefer und tiefer. Bis nichts mehr geht.
Wer Schnelligkeit erzwingen will, erhöht die Wahrscheinlichkeit des Stillstands. Das kennt man aus dem Straßenverkehr: Wenn alle Autofahrer auf die vermeintlich schnellere Spur wechseln, wird diese Spur auf einmal die langsamste. Und mancher, der mit überhöhter Geschwindigkeit über eine kurvige Straße rast, kann später aus dem Straßengraben verfolgen, wie ihn jede Omi mit Rollator überholt.
Kluge Manager entdecken die Langsamkeit. Im Austausch mit ihren Mitarbeitern legen sie realistische Termine fest und steuern sie ganz bewusst nur mit mittlerer Geschwindigkeit an – einem Tempo, bei dem nicht das Handeln dem Denken vorausläuft wie im Hamsterrad; sondern umgekehrt!
Hamsterrad-Regel: Entgegen der landläufigen Meinung können Manager doch gute Witze erzählen. Man muss sie nur um einen Terminvorschlag bitten!
Deppen-Erlebnisse
Warum mein Chef seinen »Hundertsten« feierte
»Heute gibt’s was zu feiern!«, rief unser hyperaktiver Abteilungsleiter in die Runde. Kuchen und Sekt hatte er mitgebracht, seine Abteilung eingeladen. Aber zu welchem Anlass? Es war Anfang April, sein Geburtstag lag im Juli. Wurde er womöglich Vater? Unwahrscheinlich, denn wann hätte er eine Frau kennenlernen sollen?
Er war ein Gefangener seiner Arbeit, vom Morgengrauen bis in die Nacht. Den einzigen Freigang erlaubte er sich bei seinen Dienstreisen. Die Ringe unter seinen Augen waren groß wie Bierdeckel. Und nun trommelte ausgerechnet er, der sonst keine Minute verschwendete, die ganze Abteilung zu einer Feier zusammen.
Die Sektflasche in der Hand, hob er zu einer kleinen Rede an: »Heute feiere ich meinen Hundertsten!« Ich warf den Kollegen einen Blick zu: War er, 46 Jahre alt, vor lauter Arbeit nun vollends verrückt geworden?
Nach einer Pause sprach er weiter: »Ich möchte meinen hundertsten Urlaubstag feiern, den ich nicht genommen habe. Gerade kam die Nachricht aus der Personalabteilung. Wenn ich der Firma schon so viel Zeit schenke, dann kann ich meinen Mitarbeitern auch mal was schenken.« Er legte eine Kunstpause ein und fügte hinzu: »Einschenken!« Und schon lief er mit der Sektflasche los.
Tatsächlich nahm er seit vielen Jahren nur die Hälfte seines Jahresurlaubs und ließ den Rest verfallen. Wir lachten herzhaft über seinen »Hundertsten«. Erst in den Tagen danach wurde uns die Symbolik klar: Wer seine Urlaubstage
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