Bin ich hier der Depp
stellte sich heraus: Er hatte meinen Namen mit dem meines Kollegen Schneider verwechselt, der mit Vornamen wie ich Julian hieß. Ihm hatte er die 350 Euro angewiesen. Nun rief er das Geld zurück – was die Motivation des Kollegen nicht gerade erhöhte –, und leitete es auf mein Konto um.
Sollte er mich eines Tages entlassen wollen: Ich bin guter Hoffnung, dass er den Falschen feuert!
Julian Schmidt, Immobilienwirt
Schlaflos im Chefsessel
Der größte Feind eines Managers hält sich in der Nacht versteckt. Dort lauert er auf seine Chance. Zum Angriff schreitet er, wenn sein Opfer sich ins Bett gelegt hat. Dann raubt er dem Manager das Kostbarste: seine Zeit. Der Feind des Managers – ist der Schlaf!
Aber wer ein echter Manager ist, der lässt sich nicht so einfach übermannen, sondern wehrt sich: mit Arbeit bis in die Nacht, mit Dienstreisen rund um den Globus, mit Kannen voller Kaffee und mit Aufputschpillen. Die Supermänner des Managements erkennt man daran, dass sie ihrem Feind ungewöhnlich lange widerstehen. So rühmt sich der Bahn-Chef Rüdiger Grube damit, vier Stunden Schlaf pro Nacht reichten ihm. Ähnliche Sprüche klopfen Top-Manager wie die ehemaligen Karstadt-Quelle Chefs Wolfgang Urban und Thomas Middelhoff. [22]
In einer Spitzenposition muss man mit wenig Schlaf auskommen: Diese Aussage unterschreibt ein Drittel der deutschen Manager, wie eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach unter 517 Top-Entscheidern ergab. Jeder fünfte Manager gibt an, dass er schon nach fünf Stunden aus dem Bett steigt. Und jeder zweite Unternehmenslenker attestiert sich selbst: Ich bekomme zu wenig Schlaf! [23]
Diese Wachheit bis zum Umfallen, die Führungskräfte ihren Mitarbeitern vorleben, ist typisch für die rastlose Arbeitswelt der Gegenwart. Sei immer auf dem Sprung! Schließ nie die Augen! Träum bloß nicht vor dich hin! Der Mensch als Arbeitsmaschine, der Schlaf als Produktionsausfall.
Wer sich rühmt, mit wenig Schlaf auszukommen, will in Wahrheit sagen: »Ich gewinne Zeit fürs Wesentliche!« Nicht für den Lebenspartner, nicht für die Kinder, nicht für das Hobby – sondern für die Arbeit.
Die Bedeutung der Arbeit hat sich gewandelt. Das lässt sich aus Manager-Gesprächen über ihr liebstes Hobby schließen. Noch vor zehn Jahren liefen die Gespräche, sobald das Handicap geklärt war, etwa so ab: Der eine erzählte, er sei im letzten Jahr 34 Mal auf dem Golfplatz gewesen. Und der andere konterte: »Und ich 36 Mal!«
Doch dieser alte Maßstab gilt nicht mehr, wie ich zuletzt am Rande einer Vertriebskonferenz verfolgen konnte. Ein Manager, Ende 30, sagte: »Unser Laden brummt wie verrückt. Ich war schon vier Monate nicht mehr auf dem Golfplatz.« Worauf sein Kollege, Anfang 50, stolz erwiderte: »Und ich hatte schon ein ganzes Jahr keinen Schläger mehr in der Hand.« Gewonnen!
Dass jemand sein Hobby neben der Arbeit pflegt, gilt nicht mehr als Indiz für eine gute Work-Life-Balance, sondern als Zeichen mangelnder Auslastung. Schick ist es geworden, mit seiner Arbeit in einer monogamen Ehe zu leben. Allen Versuchungen daneben, ob Freizeit, Familie oder Schlaf, widersteht der moderne Manager tapfer. Erlaubt sind allenfalls Hobbys, die seine Arbeitsfähigkeit erhalten, zum Beispiel Joggen gegen die Uhr und gegen den Herzinfarkt.
Die Arbeit, von den antiken Philosophen als Übel verspottet, als Ablenkung vom Eigentlichen, hat eine steile Karriere hingelegt: vom Rand der Gesellschaft in die Mitte, von der Sklavenbürde zum Lebenszweck. Man arbeitet nicht mehr, um zu leben; man lebt, um zu arbeiten.
Wer sich als Manager seines Vier-Stunden-Schlafs rühmt, appelliert heimlich an seine Mitarbeiter: Arbeitet rund um die Uhr! Nutzt jede Minute! Verschwendet keine Arbeitszeit, nicht mal im Bett!
Bei Managern hat die Arbeit immer Vorfahrt. Nicht so bei Lkw-Fahrern. Sie müssen Ruhezeiten einhalten. Man lässt sie mit ihren Mehrtonnern nur über die Straßen rollen, wenn sie ausgeschlafen sind. Um Unfälle zu vermeiden. Weshalb trauen wir todmüden Unternehmenslenkern mehr als todmüden Lkw-Fahrern zu? Wie sollen sie einen Konzern sicher steuern, wenn sie völlig unausgeschlafen sind?
Die Statistik für den Straßenverkehr sagt: Zwei Drittel aller Zusammenstöße werden von übermüdeten Fahrern verursacht. [24] Hat mal jemand nachgerechnet, welche Schäden entstehen, wenn ein müder Manager seinen Konzern an die Wand fährt? Das kostet nicht nur Geld, das kostet Arbeitsplätze!
Der
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