Bin ich hier der Depp
Harvard-Professor Charles Czeisler hat schlaflose Firmenlenker erforscht und berichtet Schockierendes: »Müde Manager handeln wie Betrunkene.« [25] Ist das der Grund, warum die Konzerne von einer sinnlosen Fusion zur nächsten torkeln? Kommen so Entscheidungen zustande, die von Mitarbeitern als »besoffen« bezeichnet werden – zum Beispiel völlig haltlose Terminzusagen? Und wäre Karstadt-Quelle die Insolvenz erspart geblieben, wenn Manager wie Middelhoff nachts mehr geschlafen und deshalb tags bessere Ideen entwickelt hätten?
Der Kronzeuge Charles Czeisler attestiert den Schlaflosen geistige Verwirrung: »Ansonsten intelligente und wohlerzogene Manager benehmen sich anders, wenn sie übermüdet sind: Sie beschimpfen ihre Mitarbeiter, treffen unkluge Entscheidungen, welche die Zukunft ihres Unternehmens beeinflussen, und halten wirre Vorträge vor ihren Kollegen, den Kunden, der Presse oder den Shareholdern.«
Diese Einschätzung deckt sich mit den Studien des US -Schlafforschers Mark Rosekind: Wer fünf Stunden schläft, statt acht, verliert 50 Prozent Entscheidungsfähigkeit und 20 Prozent Gedächtnisleistung. [26] Der Schriftsteller Rainer Haak bringt es auf den Punkt: »Wer sich nachts zu lange mit den Problemen von morgen beschäftigt, ist am nächsten Tag zu müde, sie zu lösen.«
Daher beruht ein Spruch des Kurzschläfers Napoleon, den Manager sich zuraunen, sicher auf morgendlicher Denkschwäche: »Ein Genie braucht drei, eine Frau acht und ein Taugenichts neun Stunden Schlaf.« Goethe und Einstein waren Langschläfer, sie blieben zehn Stunden im Bett. [27]
Tatsächlich ist der Schlaf kein Feind, sondern ein guter Freund. Er sorgt dafür, dass Gedächtnisinhalte gefestigt werden. Der Schlafende lernt dazu, erhöht seine Konzentration, stärkt seine Organe und schützt sich vor Krankheit. [28]
Wenn Manager ihren Schlaf zusammenstreichen, begehen sie denselben Fehler wie beim Kürzen von Etats: Nur die kurzfristige Einsparung sehen sie, nicht aber die fatalen Nebenwirkungen: dass sie schlechte Vorbilder für ihre Mitarbeiter sind; dass die zunehmende Arbeitszeit durch die abnehmende Arbeitsqualität konterkariert wird; und dass es nicht gerade den Eindruck fortgeschrittener Weisheit hinterlässt, wenn eine Führungskraft wieder mal auf niemanden hört, nicht einmal auf die Bedürfnisse ihres eigenen Körpers – und sich für diese Dummheit auch noch auf die Schulter klopft!
Doch wenn es stimmt, dass man vor allem im Schlaf lernt, wird es noch lange dauern, bis die Manager diese Lektion begriffen haben.
Hamsterrad-Regel: Die Aussage, dass Manager ihren Job im Schlaf beherrschen, ist zu 50 Prozent wahr – das Beherrschen gehört nicht dazu!
Das Geheimnis der geplatzten Termine
Als Neunjähriger wollte ich unbedingt ein Kaninchen haben! Ich versprach meinen Eltern, jeden Tag Futter auf der Wiese zu sammeln, jede Woche den Stall zu putzen. Und natürlich war ich sofort bereit, alle Ausgaben für das Kaninchen von meinem Taschengeld zu bestreiten.
Das Kaninchen wurde angeschafft. Drei Tage war ich die Fürsorge in Person. Danach kannte ich das Tier nicht mehr.
Was für mich das Kaninchen war, sind für deutsche Firmen die Großprojekte: Das Blaue vom Himmel versprechen sie, nur um den Auftrag zu ergattern. Sie sagen Endtermine zu, die zu knapp wären, um nur eine Baugrube auszuheben. Sie kalkulieren Kosten, die weit unter dem Radar der Realität fliegen. Und den Personalbedarf berechnen sie, als könnte jeder Mitarbeiter für drei arbeiten, mindestens.
Die Termintorheit multipliziert sich, wenn Illusionskünstler aus Wirtschaft und Politik gemeinsam für Bauprojekte antreten. Dann wird der Eröffnungstermin nicht nach dem Arbeitsbedarf auf der Baustelle kalkuliert, sondern der Manager fragt sich: »Bis wann muss das Projekt fertig sein, damit es das größte Kursfeuerwerk an der Börse zündet?« Und der Politiker fragt sich: »Wie schaffe ich mit den Fotos der Eröffnung eine Punktlandung vor der nächsten Wahl?«
Die Aufgabe des Managers ist es, Termine zuzusagen, die Aufgabe seiner Mitarbeiter, diese Termine einzuhalten. Der Chef lässt das Porzellan fallen. Und die Mitarbeiter sollen es auffangen, obwohl es schon zerschellt ist. Dabei kann man sich nur verletzen!
Niemand fragt die Mitarbeiter vor der Terminzusage, was sie, die Kenner der Praxis, dazu meinen. Niemand erkundigt sich, welche Vorläufe die einzelnen Abteilungen brauchen, welcher neue Personalbedarf entsteht – und schon gar
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