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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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verstreut sich in alle Winde.
    Die meisten Führungskräfte behaupten stolz, »neben« ihrer eigentlichen Arbeit ja »auch noch« die Mitarbeiter zu führen. Dieses Multitasking ist einer der Gründe, warum beim Führen so viele Unfälle passieren. Den Mitarbeitern geht es wie Stephen King: Sie kommen unter die Räder.
    Hamsterrad-Regel: Wenn die linke Hand nicht wusste, was die rechte Hand tat, hieß das früher Kopflosigkeit. Heute heißt das: »Multitasking«.
    Audienz beim Chef
    Vorgesetzte kämpfen an mehreren Fronten: Als Windhunde der Geschäftsleitung hetzen sie hinter Zielen her. Als Diener ihres eigenen Vorgesetzten entschärfen sie diplomatische Sprengsätze. Und als Feuerwehr des Alltags springen sie zum Löschen, wenn der Kunde einen Rabatt will, der Mitarbeiter eine Gehaltserhöhung, der Personalchef ein Feedback, der Controller einen Sparvorschlag oder der Ausschuss einen neuen Termin. Konflikte schlichten, Strategien entwickeln, Bilanzen lesen, Akten wälzen, Reden vorbereiten – ein Manager muss ein Tausendsassa sein.
    Doch statt alles der Reihe nach und gründlich zu tun, lassen sich die Manager vom Multitasking zu Rundumschlägen verlocken. Am Computer sind mindestens 15 Fenster geöffnet, sie hüpfen vom Festnetz- ins Handygespräch (oder umgekehrt), sie surfen, chatten, mailen, twittern, bis der Outlook-Kalender den nächsten Termin anmahnt. Die letzte SMS wird unterm Konferenztisch getippt, Methode Merkel. Niemand hört mehr auf den gelehrten Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg: »Alles auf einmal tun zu wollen, zerstört alles auf einmal.« Vor allem die Kommunikation.
    Ein Mitarbeiter, der zu seinem Chef vordringen will, braucht Geduld und Fantasie. Ein Informationselektroniker erzählt: »Ich warte dann immer vor der Tür eines Konferenzraums. Und sobald mein Chef rauskommt, hänge ich mich an ihn wie ein Reporter an den Fußballstar. Nur dass ich ihm nicht in Richtung Kabine, sondern bis vor den nächsten Meeting-Raum folge. Und dass ich kein Fernsehinterview führe, sondern ihm beim Mitlaufen Fragen zu meiner Arbeit stelle.«
    Andere Mitarbeiter betteln um eine Audienz, bis der Chef sagt: »Gut, ich schiebe Sie zwischen zwei Termine.« Nun fühlt sich der Mitarbeiter zwischen Vor- und Nachtermin eingequetscht wie die Salamischeibe im Sandwich. Der Chef ist nur körperlich da; im Kopf verarbeitet er den letzten Termin und bereitet den nächsten vor. Kann schon passieren, dass er während des Gespräches an den Computer springt, Mails abruft oder zum Handy greift.
    Und wenn die Fragen des Mitarbeiters am Ende der Sandwich-Zeit, sprich nach zwei Minuten, noch nicht allumfassend geklärt sind, sagt der Chef, während er aufspringt und davonrennt: »Sprechen Sie mich später noch mal an, wenn ich ein wenig Luft habe.« Das ist gleichbedeutend mit: nie!
    Der Mitarbeiter bekommt das Gefühl, ein lästiges Insekt zu sein, das den Chef immer wieder anfliegt, um Informationen zu saugen, aber mit allen möglichen Tricks verscheucht wird: Schwirr ab! Soll der Mitarbeiter doch selber tun, wofür eigentlich sein Chef bezahlt wird, komplizierte Probleme lösen und die komplette Verantwortung tragen.
    Wenn alles gelingt, steckt sich der Chef die Erfolge an den eigenen Hut. Aber wenn es schiefgeht, sagt er zum eigenen Vorgesetzten kühl: »Es ist mir unklar, wie Herrn Wolf ein so schwerer Fehler passieren konnte – er hätte sich mit mir abstimmen müssen!« Die Schuld unterliegt dem Gesetz der Schwerkraft: Sie fällt immer nach unten!
    Dass Multitasking-Chefs ihren Mitarbeitern mit halbem Ohr zuhören, ist nur ein Gerücht – mit einem Viertel Ohr ist man schon gut bedient! Das berichtet auch die Assistentin eines gehobenen Managers aus der Stahlindustrie. Ihr Chef hält es für effektiv, beim Telefonieren gleichzeitig Briefe zu diktieren. So will er die Zeit, während sein Gesprächspartner redet, sinnvoll nutzen (also nicht zum Zuhören!). Die moderne Technik hilft ihm dabei: Er verwendet die Mute-Funktion seines Handys – dann kann er selbst noch hören, was sein Gesprächspartner sagt, aber der hört ihn nicht mehr.
    Immer wieder kommt es dabei zu Unfällen, wie die Sekretärin erzählt: »Zum Beispiel ist es schon passiert, dass ich lange Ausführungen stenographiert habe, ehe plötzlich Sätze kamen wie: ›Die Kacke ist wirklich am Dampfen, wir müssen diese Pfeifen endlich zum Handeln bringen!‹ Erst dann wurde mir klar: Das war jetzt wieder kein Diktat, sondern Teil des

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