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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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die er an einer Maschine einweist (was völlig unnötig ist). Oder er läuft, scheinbar versehentlich, in eine Mitarbeiterin. Oder er breitet bei der morgendlichen Begrüßung die Arme aus und drückt sich ein verdattertes »Schätzchen« an die Brust. Natürlich lässt er die Frau erst wieder los, wenn ihr schon der Hilfeschrei auf den Lippen liegt.
    Vor Jahren hat sich eine Kollegin über den Produktionsleiter beschwert. Doch der Vize-Chef der Firma meinte nur: »Er ist halt ein jovialer Typ, da dürfen Sie nicht alles auf die Goldwaage legen!« Anders gesagt: Nicht unser Chef war zu zudringlich, sondern wir zu sensibel!
    Ich bin übrigens kein »Schätzchen« mehr. Eines Tages, als er mich überfallartig umarmen wollte, trat ich ihm mit voller Wucht auf den Fuß. Seither nennt er mich »Blümchen-rühr-mich-nicht-an«. Dieser Name gefällt mir, denn er rührt mich tatsächlich nicht mehr an!
    Rita Baum, Fabrikarbeiterin
    Der Puppen-Trick
    Was passiert mit Arbeiten, um die Männer sich drücken: mit Listen, die zu führen, mit Protokollen, die zu schreiben, mit Praktikanten, die einzuweisen sind? Der Chef eilt damit zu einer Frau. Und wenn er sie fragt: »Wären Sie bitte so nett …«, dann weiß er schon, dass sie so nett sein wird – egal was er ihr zumutet!
    Es anderen recht zu machen, brav und bescheiden zu sein, Probleme zu lösen, statt sie zu bereiten: Das haben Frauen ein Leben lang gelernt. Noch immer werden Mädchen anders als Jungen erzogen. Prügelt ein Junge sich, erntet er Achtung als Raufbold – seine Schwester bekommt zu hören: »Das tut ein Mädchen nicht!« Fegt der Junge mit seinem Fahrrad über die Straße, gilt er als mutig und sportlich – das Mädchen wird ermahnt: »Fall nicht hin, sei vorsichtig!« Läuft der Junge davon, wenn er Gartenarbeit machen soll, sehen ihn seine Eltern als »wild« – dem Mädchen wird gesagt: »Sei nicht unartig!«
    Sicher gibt es viele Eltern, die ihre Kinder moderner erziehen, aber die Tendenz ist immer noch dieselbe: Wer mit Puppen spielt, lernt Einfühlung und Zurückhaltung. Wer den Fußball tritt, lernt Wettkampf und Angriff. Mädchen werden eher zum Bravsein, Jungen zum Wildsein erzogen.
    Diese Appelle aus der Sozialisation prägen sich wie eine Tonspur im Gehirn ein, als so genanntes Eltern-Ich. [95] Solche vergangenen Erfahrungen steuern gegenwärtiges Verhalten. Reflexhaft tut ein Erwachsener, was von ihm (seit Erziehungszeiten) erwartet wird – und unterlässt, was er wirklich tun möchte.
    Die Chefs, raufende Jungs von einst, wissen genau, wer bei Arbeitsangriffen das leichtere Opfer ist: die Frauen. Wenn sie ihm eine Bitte erfüllen können, dann entgleitet ihnen ein reflexhaftes »Ja«. Frauen wollen nett sein. Und Chefs nutzen das aus. Auch wenn sich die Arbeit auf dem Tisch der Mitarbeiterin schon turmhoch stapelt, schleppen sie einen Nachschlag herbei, gerne versüßt durch ein manipulatives Kompliment wie: »Ich weiß ja, wie gut Sie im Multitasking sind!«
    Frauen machen keinen Wind, sondern ihre Arbeit. Klaglos. Und weil sie nicht klagen – wie viele Männer –, denkt der Chef: »Da geht noch was!« Und so rollt der Fluss der unangenehmen Arbeiten zielsicher auf den Schreibtisch der Mitarbeiterin zu.
    Aber sind die Frauen deshalb schlechter Laune? Nein, sie gelten im Büro als Klimaschützerinnen. Sie bauen Kollegen wieder auf, die am Boden liegen. Sie gehen dazwischen, wenn sich zwei Kollegen in den Haaren liegen. Und sie sorgen dafür, dass von fünf Geburtstagen nicht vier vergessen werden.
    Aber während sie das Klima schützen, brennen sie selber aus. Zum Beispiel hat mir eine Klientin erzählt, sie habe den Streit zwischen zwei Kollegen geschlichtet. Die beiden hatten sich nicht einigen können, wer einen unliebsamen Messebesuch an einem Wochenende übernehmen sollte. Sie regelte das so: »Ich habe den Termin selbst übernommen. Dann war Ruhe!« Solche Schlichterinnen wünscht Mann sich!
    Ich kenne Frauen, die das Arbeitspensum einer ganzen Mannschaft aufgeladen bekommen. Für den Vorgesetzten ist das Luxus! Erstens weiß er, dass Frauen die von ihm delegierten Aufgaben in hoher Qualität erledigen. Zweitens muss er sich mit keinem Mann herumstreiten, der sie mal wieder nicht machen will, natürlich unter Verweis auf wichtigere Projekte, die er angeblich gerade laufen hat. Und drittens kommen ausgelastete Frauen nicht auf dumme Gedanken, zum Beispiel, dass sie nach Gehaltserhöhungen, Beförderungen und Dienstwagen fragen. Um

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