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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Schreibtisch rauschte. Darum dürfen sie nicht ausfallen!
    Scharlach und Keuchhusten sind verzeihlich, weil eine Frau sich das nicht aussucht. Eine Schwangerschaft aber gilt als Sabotageakt, als Hochverrat an der Arbeit – keine Entscheidung für ein Kind, sondern gegen die Firma!
    Zwar stimmt es, dass der Klagechor der deutschen Wirtschaft pausenlos vom Nachwuchsmangel singt: Die Azubi-Stellen verwaisen, die Hochschul-Abgänger tröpfeln nur noch aus den Universitäten. Aber dieses »Nachwuchsproblem« soll lösen, wer will. Die eigenen Mitarbeiterinnen haben nur Geschäftsergebnisse zu gebären.
    Gedacht ist die Sache so: Die Arbeit, gerne bis Mitternacht, soll Frauen vom Kinderkriegen abhalten – aber nicht das Kinderkriegen die Frauen von der Arbeit!
    Etwas schaukeln und an ihre Brust drücken dürfen die Frauen: ihre Arbeit! Etwas stillen dürfen sie auch: den Delegier-Hunger ihres Gruppenleiters. Und wenn es schreit, dürfen sie springen: zu ihrem Bereichsleiter, der sie mit einem Spezialauftrag behelligt.
    Babys aber haben einen unheilbaren Mangel: Man kann sie nicht am Arbeitsplatz bekommen! Der Nachwuchs wird als Störfaktor gesehen, weil er Zeit und Aufmerksamkeit fordert. Beides gebührt der Arbeit!
    Wenn Frauen sich für ein Kind entscheiden, reagieren Firmen beleidigt. Hat sich die Gesellschaft nicht darauf geeinigt, die Arbeit auf den Altar zu stellen? Definieren sich Menschen nicht immer mehr über ihren Beruf? Und richten sie ihr ganzes Leben nicht an der Arbeit aus wie ein klassischer Seefahrer seinen Kurs am Kompass?
    Wie kann es dann sein, dass Frauen aus der Reihe dieser Arbeitskolonne ausscheren? Die Firmen reagieren eifersüchtig, wenn jemand entdeckt, dass es noch etwas Schöneres als die Arbeit geben könnte – etwa ein eigenes Kind! »Eifersucht ist die Angst vor dem Vergleich«, schrieb der Schweizer Autor Max Frisch. Je mehr eine Firma ihre Daseinsberechtigung aus der Bilanz und nicht aus ihrer Tätigkeit an sich bezieht, desto mehr betrachtet sie Kinder als Konkurrenz.
    Und überhaupt: Welche Signalwirkung geht von einer Mutter auf den Rest der Belegschaft aus? Angenommen, sie setzt die Prioritäten in ihrem Leben neu, geht um 17 Uhr nach Hause und schwärmt nicht mehr von ihrer Nachtschicht, sondern von ihrem Nachwuchs – untergräbt das nicht die Arbeitsmoral der Truppe?
    Doch wenn der Klapperstorch einen Mann anfliegt, gibt sich die Firma unbesorgt. Ein frischgebackener Vater kniet sich noch tiefer in die Arbeit rein, um seiner neuen Verantwortung gegenüber der Familie gerecht zu werden. Niemand fragt ihn, wie er beides miteinander vereinbaren kann.
    Dagegen heißt es im Mutter-Kreuzverhör: »Kind und Beruf, wie wollen Sie das unter einen Hut bekommen?« Der Verdacht: Kümmert sie sich zu sehr um das Kind, leidet die Arbeit. Kümmert sie sich zu sehr um die Arbeit, leidet das Kind. Rabenmutter oder Rabenmitarbeiterin – sie hat die Wahl.
    Meist läuft es auf eine Teilzeitstelle hinaus. Zum Beispiel offeriert der Chef nach langem Zögern eine 60-Prozent-Stelle. Die Mitarbeiterin ist dankbar, die Chance auf Teilzeit zu bekommen. Und sie tut alles, um die Arbeit auch zu bewältigen. Niemand soll ihr nachsagen, sie arbeite als Mutter nur mit halber Kraft.
    Natürlich ist sie in eine Falle getappt: Ihre Arbeitszeit wurde auf 60 Prozent reduziert, die Arbeitsmenge ist aber bei 100 Prozent geblieben! Und so führt die Mutter den USB -Stick wie den Schnuller mit sich, um an ihren freien Tagen und in langen Nächten die offene Arbeit nachzuholen – sofern sie nicht gerade zu einem Termin in die Firma muss, der ohne Rücksicht auf sie außerhalb ihrer Arbeitszeiten angesetzt wurde. Zwischen Kind und Job zerreißt sie sich, immer mit dem Gefühl, keinem von beiden gerecht zu werden. Nur der Chef jubiliert: Er kommt 100 Prozent Arbeit für 60 Prozent Gehalt.
    Böse Überraschungen bei der Rückkehr in den Job sind zu erwarten. Als Spiegel Online mit berufstätigen Müttern über den »Karrierekiller Kind« sprach, dominierten die Horror-Geschichten: Eine Mutter berichtete, dass ihre Mails und Anrufe von der Firma wochenlang nicht beantwortet wurden – vielleicht hoffte man, sie verzichte freiwillig auf die Stelle. Eine andere Frau bekam zwar eine Teilzeitstelle, wurde aber von der Führungskraft zur Sachbearbeiterin degradiert – 25 Prozent Gehalt weniger! Und eine weitere Mutter bekam eine Teilzeit-Stelle angeboten, jedoch lag der Arbeitsplatz in einer anderen Stadt, für sie

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