Bin ich hier der Depp
aussehen kann. [94] Der Zoo-Chef hatte einen Brief an mehrere Empfänger verfasst. Seine Mitarbeiterinnen würdigte er auf besondere Weise: Er setzte »0,1« vor den Namen. Das ist die zoologische Bezeichnung für weibliche Tiere, vor allem für Zuchtstuten.
Der Direktor drehte das Rad der Evolution nach hinten, schleuderte die Frauen zurück ins Tierreich, zu Eseln, Affen, Stuten. Dass er ihr natürliches Gehege nicht in der Chefetage sah, sondern auf den hinteren Rängen der Alltagsarbeits-Galopprennbahn, lag auf der Hand. Und weil er ein echter Gentleman war, verzichtete er darauf, sich auch vor seinen Mitarbeitern zu verbeugen: Die Bezeichnung für männliche Tiere, »1,0«, sparte er sich vor deren Namen.
Dem Zoodirektor brauste ein Sturm der Entrüstung um die Ohren. Weil er seine Diffamierung schwarz auf weiß festgehalten hatte. Das versetzte die Frauen in die Lage, zu protestieren und ihn zu einer öffentlichen Entschuldigung zu zwingen.
Doch das typische »0,1«, das auf der Stirn der Mitarbeiterin steht, ist unsichtbar. Die alltäglichen Benachteiligungen sind leicht zu spüren, aber nur schwer nachzuweisen. Wie soll eine Mitarbeiterin sich gegen eine Diffamierung wehren, die es angeblich nicht gibt? Perfiderweise gibt sich das typische Unternehmen ja als Frauenförderverein aus, der Mitarbeiterinnen bevorzugt (be-)fördert.
Und manchmal stimmt das sogar. Aber nur auf dem Papier – falls eine Anfrage aus der Zentrale das erfordert …
Hamsterrad-Regel: Frauen haben so viele Förderer, dass man die Be förderer ruhig den Männern überlassen kann.
Deppen-Erlebnisse
Meine Erlebnisse mit Schwangerschafts-Spionen
Wer als Frau von Ende 20 in ein Vorstellungsgespräch geht, weiß genau, dass die Firma nur eines interessiert: Plant sie Kinder (und fällt aus)? Oder plant sie keine (und arbeitet durchgehend)? Weil die Firmen nicht direkt fragen dürfen, schleichen sie sich von hinten an. Die kuriosesten Versuche von Schwangerschafts-Spionage habe ich schon erlebt. Ein Personalchef wollte von mir – ich bin Architektin – wissen:
»Mal angenommen, Sie würden Ihr eigenes Haus planen. Beschreiben Sie die einzelnen Räume einmal!« Er hätte auch gleich fragen können: »Planen Sie drei, vier oder fünf Kinderzimmer?«
Ein anderes Mal wies mich eine Fachvorgesetzte, scheinbar großzügig, auf eine Kindertagesstätte zwei Straßen weiter hin: »Die haben eine so lange Warteliste, dass wir Plätze für unsere Mitarbeiterinnen schon vor der Geburt reservieren.« Damit wollte sie mich wohl zu einem umfassenden Geständnis über meine Familienplanung bringen, vielleicht: »Reservieren Sie gleich mal zwei Plätze für mich.« Womit der Arbeitsplatz sicher nicht mehr für mich reserviert gewesen wäre.
Und der Personalchef eines Mittelständlers hatte tückisch gefragt: »Können Sie sich vorstellen, eines Tages auf Teilzeit umzustellen?« Sicher war keine Altersteilzeit gemeint, sondern eine Teilzeit aufgrund von Kindern. Ich antwortete, dass ich mich bewusst auf eine Vollzeit-Stelle beworben hätte.
Im weiteren Verlauf des Gespräches versuchte er es noch einmal: »Kürzlich bin ich Vater geworden«, erzählte er fröhlich, »es gibt ja nichts Schöneres als ein Kind.« Diesen Satz ließ er im Raum stehen wie eine offene Tür, die ich nun durchschreiten sollte mit einer eigenen Meinung.
In solchen Fällen ist man als Frau verraten! Stimmt man zu, gilt das schwerste aller Verbrechen, der Kinderwunsch, als gestanden. Vertritt man eine andere Meinung, denkt der Gesprächspartner: »Sie bestreitet das sicher aus gutem Grund!«
Bei vielen Stellen, die ich nicht bekam, obwohl sehr dafür geeignet, fand ich später im Internet heraus: Junge Männer haben den Vorzug bekommen. Wetten, dass nicht einer von ihnen gefragt wurde: »Können Sie sich vorstellen, eines Tages auf Teilzeit umzustellen?«
Silke Sigurt, Architektin
Wie unser Produktionsleiter mit »Schätzchen« spricht
Unser Produktionsleiter, ein bulliger Mann von Mitte 50, hat eine widerliche Angewohnheit: Junge Mitarbeiterinnen, die ihm gefallen, spricht er als »Schätzchen« an – und behandelt sie auch so. Zum Beispiel rückt er bis auf Kussnähe heran, wenn er einen Auftrag bespricht. Seine behaarte Hand legt sich auf den Arm der Mitarbeiterin. Und sein Blick ist immer provokant tief, mal in die Augen, mal in den Ausschnitt.
Er tut alles, um seinen »Schätzchen« körperlich näherzukommen. Zum Beispiel führt er die Hand von Mitarbeiterinnen,
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