Bin ich hier der Depp
unerreichbar. [99]
Eine herbe Enttäuschung erlebte auch Barbara Steinhagen, damals tätig im Marketing des Musikkonzerns Sony BMG . [100] Ihr Chef sollte aufsteigen. Und sie war für seine Nachfolge vorgesehen. Schon mehrfach hatte sie ihn vertreten. Als bekannt wurde, dass sie schwanger war, traf der Ritterschlag der Beförderung einen Kollegen. Ihr Chef meinte: »Sie haben sich eben für das Kind und gegen die Karriere entschieden.«
Tatsächlich hätte sich der Vater, ein Selbständiger, um die Erziehung gekümmert. Und Barbara Steinhagen wollte direkt wieder in die Führungsaufgabe einsteigen. Sie fühlte sich diffamiert und klagte. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied zweimal zugunsten der Firma: Die Indizien reichten angeblich nicht aus. Aber das Bundesarbeitsgericht kassierte die Urteile – und mahnte an, den Diskriminierungs-Schutz schwerer zu gewichten. Schließlich bekam Barbara Steinhagen Recht – und rund 17 000 Euro als Entschädigung. [101]
Es hätte noch teurer kommen können! Der Schweizer Pharmariese Novartis musste 152,5 Millionen Dollar an Mitarbeiterinnen seiner US -Tochter NPC zahlen, per Vergleich, nachdem ihn ein US -Gericht verurteilt hatte. Die Firma hat sich das volle Programm der Diskriminierung erlaubt: Frauen unterbezahlt, sie bei Beförderungen übergangen und als Schwangere unfair behandelt. [102]
Übrigens: Auf die Klage von Barbara Steinhagen hatte Sony BMG nach Art des Hauses reagiert: Der Konzern pfiff auf das Gesetz und feuerte die Frau während des Mutterschutzes. Was das wohl vor einem US -Gericht gekostet hätte?
Hamsterrad-Regel: Karriere mit Kind ist kein Problem in Deutschland – sofern es das Kind einer anderen und die Karriere der Nanny ist.
Deppen-Erlebnisse
Wie ich von der Managerin zur Putzhilfe wurde
Es war eine Ungeschicklichkeit unseres Inhabers, die zu einer Überschwemmung führte. Als er eifrig über eine Strategie referierte, fegte er mit dem rechten Arm seinen Kaffeebecher um. Eine schwarze Brühe ergoss sich über den Konferenztisch.
Im Raum waren acht Manager, ich die einzige Frau darunter. Flinke Hände evakuierten blitzschnell ihre Unterlagen vom Tisch, um die spätere Lektüre nicht zu unfreiwilliger Kaffeesatz-Leserei geraten zu lassen. Der Geschäftsführer sprang auf, als der Kaffee schon auf seine Hose tropfte.
Mit einem Achselzucken entschuldigte er sich und schaute auf den überfluteten Tisch. Dann wandte er sich an mich: »Frau Heier, wären Sie so nett, sich darum zu kümmern?« Unfassbar! Ich gehörte zu den erfahrensten Führungskräften im Raum. Aber der Chef kam nicht auf die Idee, einen Jungmanager um Hilfe zu bitten. Er kam nicht auf die Idee, selbst zu wischen. Er rief niemanden vom Hausservice. Nein, er sprach ausgerechnet mich an! Als wäre ich eine Putzhilfe, die sich in diesen Managerkreis nur verirrt hat.
Bis dahin war ich mir sicher gewesen, als vollwertiges Mitglieder der Führungsrunde anerkannt zu sein. Seit diesem Tag habe ich Zweifel.
Astrid Heier, Abteilungsleiterin
Warum ein Vier-Stunden-Tag für mich sechs Stunden hat
Lange hatte ich gezögert, eine Halbtagsstelle anzunehmen, weil ich als Mutter zweier kleiner Kinder sehr eingespannt bin. Aber das Angebot einer halben Stelle als Kundenbetreuerin überzeugte mich, auch weil der künftige Chef versicherte: »Das ist ein Traumjob für Sie! Bei uns können Sie jeden Tag um 9 Uhr kommen und um 13 Uhr gehen.«
Dieses Versprechen hielt er ein. Was er mir verschwiegen hatte: Ich sollte Kunden auch außerhalb dieser Zeiten beraten. Das erfuhr ich charmanterweise durch meine eigene Visitenkarte, dort hieß es unter meinem Namen, wie später auch in meiner Mailsignatur: »Beratungszeit: 9 bis 20 Uhr.« Mein Chef erklärte mir: »Diese Zeiten gelten für alle Mitarbeiter. Bitte lassen Sie Ihr Diensthandy vorsichthalber an.«
Dreimal dürfen Sie raten, wann die meisten Privatkunden Zeit für Beratungstelefonate haben. Wenn sie nach Hause kommen, ab 17 Uhr. Fast jeden Abend hing ich am Telefon. Das Essen auf dem Herd brannte an. Im Hintergrund schrien die Kinder. Und meine Verabredungen konnte ich knicken.
Meine »Halbtagsstelle« bestand aus einem halben Tag, den ich gegen Bezahlung in der Firma arbeitete, und mindestens zwei Stunden, die ich durch Telefonate zu Hause dranhängen musste, natürlich gratis.
Ein Traumjob war das in der Tat – aber nur aus Sicht meines Chefs!
Delphine Dumont, Kundenbetreuerin
[91] Spiegel Online, Deutschland ist bei
Weitere Kostenlose Bücher